
Mit dem steigenden Einsatz von ein- und mehrspurigen Lastenrädern im urbanen Raum wächst auch der Anspruch an deren Fahrverhalten und Betriebssicherheit. Insbesondere in Grenzbereichen – bei schnellen Ausweichmanövern oder ungünstiger Lastverteilung – treten Effekte wie Lenkerflattern und Pendelbewegungen auf, die das Sicherheitsgefühl und die tatsächliche Fahrstabilität erheblich beeinträchtigen können.
Gemäß unserem Leitspruch „der Praxis aufs Maul schauen“ wurde eine kombinierte Analyse aus normierten Prüfverfahren, realem Fahrversuch und moderner Drohnenbeobachtung durchgeführt. Dies erlaubt eine realitätsnahe Bewertung der kritischen Fahrzustände.
2. Fahrspurwechsel nach prEN 17860-4:2024
Der doppelte Fahrspurwechseltest (vgl. ISO 3888-2) simuliert ein plötzliches Ausweichmanöver mit Rückkehr auf die ursprüngliche Spur – auch bekannt als „Elchtest“. Dieser Test fordert das Fahrzeug erheblich hinsichtlich:
• Querbeschleunigung
• Kippverhalten
• Spurtreue
Die Prüfvorgaben nach prEN 17860-4 definieren eine verkürzte Teststrecke von 19,5 m Länge bei konstanter Geschwindigkeit. Bereits bei 15 km/h wurden Querbeschleunigungen bis 9 m/s² erreicht. Ab etwa 10 m/s² ist – abhängig von Fahrzeugaufbau und Beladung – mit instabilem Verhalten zu rechnen.
3. Flattern und Pendeln unter realen Bedingungen
Zwei charakteristische Schwingungsphänomene konnten im Fahrversuch beobachtet werden:
• Flattern: Hochfrequente Lenkerschwingungen, meist ausgelöst durch Anregungen von der Straße oder durch unzureichend gedämpfte Vorderradaufhängungen.
• Pendeln: Niederfrequente, schaukelnde Eigenbewegungen des Gesamtrads, insbesondere bei hecklastiger Beladung, langen Radständen und hohen Aufbauten.
Diese Effekte traten besonders in dynamischen Übergangszuständen auf – z. B. bei Spurwechseln, Unebenheiten oder schnellen Lastwechseln.
4. Drohnenverfolgung als praxisnahes Diagnosemittel
Hinweis zur Drohnenanalyse:
Durch den Einsatz autonomer Drohnenverfolgung lassen sich dynamische Effekte wie Spurwechselverhalten, Lenkerflattern und Pendelbewegungen in realen Fahrsituationen besonders anschaulich und praxisnah dokumentieren. Die simultane Aufzeichnung aus Front-, Seiten- und Rückansicht ermöglicht eine objektive Bewertung des Gesamtverhaltens des Fahrzeugs – auch solcher Effekte, die in stationären Labortests nicht sichtbar wären.
Somit bewährt sich unser Grundsatz: Der Praxis aufs Maul schauen.
5. Bedeutung der Fahrzeugkonfiguration (EN 17860-2)
Die neue Norm EN 17860-2:2024 unterscheidet 12 Bauformen von Lastenrädern. Im Versuch kamen Fahrzeuge vom Typ Long-John (Typ 1) und Heckträger (Typ 3) zum Einsatz. Je nach Konfiguration zeigten sich unterschiedliche Instabilitätsneigungen:
• Typ 1: Flatterneigung an der Front durch lange Hebelwege und Nachlaufmängel.
• Typ 3: Ausgeprägtes Pendeln durch seitlich ausladende Hecklasten (z. B. Akkus).
Abbildung: Normgrafik der EN 17860-2 – Testfahrzeuge Typ 1 und Typ 3 markiert
Fotos: Drohnenaufnahmen während realer Fahrt – dokumentieren Bild 1 und Bild 2
6. Fazit
Die kombinierte Methodik aus normierten Tests, realem Fahrversuch und Drohnenverfolgung liefert ein umfassendes Bild über das kritische Fahrverhalten moderner Lastenräder. Besonders folgende Faktoren beeinflussen die Stabilität:
• Geometrie und Masseverteilung
• Federung und Lenkgeometrie
• Geschwindigkeit und Anregung von außen
Flattern und Pendeln stellen ernstzunehmende fahrdynamische Risiken dar. Die Erkenntnisse aus der Analyse helfen, Fahrzeugsicherheit und Nutzerakzeptanz insbesondere im gewerblichen Einsatz signifikant zu verbessern.
Ernst Brust“