Starre Pfosten auf Radwegen bergen hohes Unfallrisiko

Das dreirädrige Lastenrad wird im DEKRA Crash Test Center in Neumünster mit 25 km/h gegen einen starren Pfosten gefahren. Die Folgen für den Aufsassen wären in einer realen Fahrsituation schwere Verletzungen gewesen. ©DEKRA
Das dreirädrige Lastenrad wird im DEKRA Crash Test Center in Neumünster mit 25 km/h gegen einen starren Pfosten gefahren. Die Folgen für den Aufsassen wären in einer realen Fahrsituation schwere Verletzungen gewesen. ©DEKRA

Ampel- oder Lichtmasten, Verkehrsschilder oder Sperrpfosten – sie alle haben auf Straßen und in ihrem Seitenraum oft eine wichtige Funktion. „Gleichzeitig können sie aber Hindernisse darstellen, die zu Unfällen führen oder Unfallfolgen verschlimmern“, warnt DEKRA-Unfallforscher Markus Egelhaaf. Für den DEKRA-Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ wurde ein Lastenrad in zwei Crashtests jeweils gegen einen flexiblen bzw. einen starren Pfosten gefahren. Die Auswirkungen könnten kaum unterschiedlicher sein.

In den letzten Jahren werden zunehmend Verkehrsräume zugunsten aktiver Mobilitätsformen umgewidmet. Dabei kommen neben der rein optischen Markierung etwa von Rad- oder Fußwegen häufiger auch Sperrpfosten zum Einsatz. Dadurch ist die Kennzeichnung bei allen Witterungsbedingungen erkennbar und die missbräuchliche Nutzung der Infrastruktur zum Parken oder Ausweichen wird effektiv verhindert, zum Schutz der eigentlichen Nutzergruppe. Pfosten kommen aber auch zum Einsatz, wenn es darum geht, eine optische Barriere an Kreuzungen und Einmündungen zu schaffen oder das Einfahren in Rad- oder Fußwege beispielsweise mit Pkw zu verhindern. Allerdings können derartige Poller beim Anprall, insbesondere mit einem Fahrrad, gravierende Folgen nach sich ziehen.

 

Um die Risiken von starren Pollern für Radfahrende zu visualisieren, hat DEKRA einen Crashtest mit einem Lastenrad durchgeführt. Ein identischer Test erfolgte zudem in gleicher Konstellation gegen einen nachgiebigen Pfosten aus Kunststoff. Verwendet wurde dabei ein zweispuriges E-Lastenrad der Aufbauform „Hecklader/Trike“, die Kollisionsgeschwindigkeit lag bei 25 km/h. Im Test gegen den starren Pfosten kam es zu einer starken Verzögerung, durch die der Dummy vom Sattel in Richtung Lenker geschleudert wurde. Der Pfosten knickte ab und fungierte so als Rampe. Das Heck des Fahrrads wurde angehoben, der Dummy wurde abgeworfen, das Fahrrad kippte um. „In einer realen Fahrsituation hätte der Aufsasse des Lastenrads schwere Verletzungen davongetragen“, so DEKRA-Unfallforscher Markus Egelhaaf.

 

Im Versuch mit dem flexiblen Pfosten wurde dieser einfach überfahren und stellte sich anschließend wieder selbst auf. Zu nennenswerten Verzögerungen kam es nicht, der Dummy blieb auf dem Sattel. Der Fahrzustand blieb kontrollierbar. „Ein weiterer Vorteil der nachgiebigen Poller besteht darin, dass im Falle einer Kollision mit einem Kraftfahrzeug sowohl die Schäden an der Infrastruktur als auch am anprallenden Fahrzeug gering gehalten werden“, so der DEKRA-Experte. Auch alle anderen Nutzenden von Fahrrädern, E-Scootern etc. werden besser geschützt.

 

Schwerwiegende Unfallfolgen durch Straßenausstattung

Schon im Verkehrssicherheitsreport 2017 zeigte DEKRA mit einem Crashversuch eindrücklich auf, wie gefährlich der Anprall gegen starre Pfosten von Kurvenleittafeln für stürzende Motorrad-Aufsassen sein kann. Durch den Ersatz der Stahlkonstruktion durch einen Aufsteller aus Kunststoff konnte das Verletzungsrisiko deutlich gesenkt werden. „Aber auch im vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeitsniveau von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden können starre Objekte gefährliche Hindernisse darstellen. Das zeigt sich im Unfallgeschehen immer wieder“, so der DEKRA-Experte.

 

Viel zu oft legen seiner Ansicht nach die für die Straßen und Wege zuständigen Stellen nicht genug Wert darauf, die Wege selbst freizuhalten. So spare man beispielsweise durch den Ampelmasten in der Mitte des Geh- und Radwegs Geld für den ansonsten erforderlichen längeren Ausleger, oder eine temporäre Baustellenbeschilderung werde gerne mal auf den Gehweg gestellt, um so auf Ampelregelungen oder Umleitungsstrecken zu verzichten. „Die Gefährdung, die daraus entsteht, wird viel zu oft einfach hingenommen – etwa für Menschen in Rollstühlen oder mit Rollatoren, für Sehbehinderte, für Personen mit Kinderwagen oder für Kinder auf Fahrrädern: Sie müssen wegen Engstellen zum Beispiel auf die Fahrbahn ausweichen, und das oft in Bereichen ohne abgesenkten Bordstein“, kritisiert der Unfallforscher.

 

Unfallzahlen könnten steigen

Dass der Anprall gegen Pfosten und Elemente der Fahrbahnverengung im Fahrradunfallgeschehen eine nennenswerte Rolle spielt, machen ältere Studien aus den Niederlanden deutlich. So zeigen die Ergebnisse von Untersuchungen des Ministeriums für Infrastruktur und Umwelt in Zusammenarbeit mit der Stiftung Verbraucher und Sicherheit, dass etwa die Hälfte aller Fahrradunfälle teilweise durch einen oder mehrere infrastrukturbezogene Faktoren verursacht werden. Auf Pfosten und ähnliche Elemente entfielen laut einer 2008 veröffentlichten Studie schon damals zwölf Prozent dieser Unfälle.

 

„Durch die zunehmende Breite und Geschwindigkeit im Fahrradbereich müssen wir damit rechnen, dass solche Unfälle häufiger passieren“, prognostiziert Markus Egelhaaf. Die Forderungen verschiedener Organisationen zum Schutz der Interessen von Radfahrenden nach einem gänzlichen Verzicht auf Poller seien daher zunächst nachvollziehbar. Allerdings gebe es auch Situationen, in denen ihre Verwendung bei ganzheitlicher Betrachtung Sicherheitsvorteile bringt. „Dabei gilt es dann aber sicherzustellen, dass die Poller durch entsprechende Farbgebung und eine passende Mindesthöhe bei allen Licht- und Wetterverhältnissen gut zu sehen sind“, so der DEKRA-Unfallforscher. Zusätzlich sei der Einsatz nachgiebiger Poller in Erwägung zu ziehen und – wo möglich – umzusetzen.

 

In den deutschen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen wird Sperrpfosten, Umlaufsperren und ähnlichen Einrichtungen übrigens ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Daraus geht hervor, dass das Freihalten des lichten Raums von grundlegender Bedeutung ist. Das Einbringen von Verkehrseinrichtungen wie zum Beispiel Schranken, Sperrpfosten, Geländern und sonstiger Absperrgeräte in den Verkehrsraum ist nur gerechtfertigt, wenn der angestrebte Zweck nicht mit anderen Mitteln erreichbar ist und die Folgen eines Verzichts nachteiliger für die Radverkehrssicherheit sind als das Aufstellen. Sperrpfosten sind unzulässig, wo Verkehrsteilnehmende gefährdet oder der Verkehr erschwert werden kann. Denn das steht einer sicheren Straßenraumgestaltung im wahrsten Sinne des Wortes im Weg.

 

Weitere Hintergründe zum Thema wie auch zu vielen weiteren Aspekten rund um „Verkehrsräume für Menschen“ finden sich im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024

 

www.dekra.de