Für die Aufnahme eines Unfalles von Kraftfahrzeugen existieren klare Vorgaben, was hinsichtlich des Unfallzeitpunktes, des Unfallortes, der Beteiligten, der Unfallsituation, den Wetterumständen, den möglichen Zeugen, den Unfallspuren und Schäden etc. zu erfassen und zu dokumentieren ist.
Für den Bereich von Fahrrädern und Fahrrädern mit zusätzlichem Elektroantrieb - sogenannten Pedelecs - werden aus Sicht eines Fahrradsachverständigen klare Vorgehensweisen vermisst. Oft wird nur vermerkt, dass ein Radfahrer zu Sturz kam. Wesentliche Einzelheiten, die für eine spätere gutachterliche Untersuchung und Klärung der möglichen Unfallursache von Bedeutung sein können, fehlen häufig. Fahrräder werden nur allzu schnell beiseite geräumt, dabei Schadenspuren verändert oder gar zerstört. Die Unfallsituation ist damit nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. Gab es bei einem Alleinunfall z.B. äußere Einflüsse durch die Fahrbahn? Spielten die gefahrene Geschwindigkeit und ein mögliches Flattern des Fahrrades als Folge seiner Geometrie und Lastverteilung eine Rolle (Stichwort „Kontrollverlust“)? Diese und weitere entscheidende Fragen können nur dann hinreichend genau beantwortet werden, wenn eine klare Erfassung - auch Aussagen der Beteiligten oder Zeugen - mit bildlicher Dokumentation der Unfallsituation erfolgt war. Hierzu soll die nachstehende Liste als Orientierungshilfe dienen.
Vorgehensweise für Polizei und Ersthelfer
1. Sicherung des Unfallortes und Erste Hilfe leisten
- Zunächst - soweit bisher nicht geschehen - Absicherung des Unfallortes und Erste Hilfe leisten.
2. Erfassung der Unfallumstände
- Datum / Uhrzeit / Wetter, Temperatur / Sicht
- gut? schlecht?
- Unfallbereich trocken? nass?
- Fahrbahnzustand griffig? rutschig?
- Fahrbahnbelag: Teer? Pflaster? sonstiges?
- evtl. Schlaglöcher? Querrillen? Kanaldeckel? Randstein? sonstige Hindernisse?
- Kurve? ggf. links oder rechts?
- in Fahrtrichtung: eben? Steigung? Gefälle?
- sichtbare Bremsspuren vom Fahrrad?
3. Fahrer und Fahrrad - Erfassung der Lage und Positionen zueinander?
- Abstände dokumentieren
- Fahrer: männlich / weiblich / Alter / Gewicht / Kleidung / Helm ja/nein
4. Unfallhergang
- Alleinfahrer oder Gruppe
- Angaben des Radfahrers
- Zeugenaussagen
- Namen und Adressen der Zeugen
5. Fahrrad im unveränderten Zustand erfassen
- nicht zerlegen, keine Schrauben oder Schnellspanner öffnen, keine Probefahrt
- Fahrradart (Herren-, Damen-, Kinderrad?, Pedelec 25?, Pedelec 45?)
- Fahrradtyp (City/Trekking, MTB, Rennrad, Sondergattung), ungefedert oder gefedert
- Fahrradhersteller (Name, Modell)
- sichtbare Schäden erfassen, sichtbare Brüche oder Verformungen (Rahmen, Gabel, Lenker, Sattelstütze)
- Schürfspuren (Fahrrad und Straße)
- gelöste Fahrradteile erfassen (Unfallort/ Umfeld absuchen)
6. Fahrrad gemäß StVZO
- aktive und passive Beleuchtung?
- zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen?
- Fahrrad lenkfähig?
- Fahrradglocke?
7. Erstuntersuchung Fahrrad
- Tacho vorhanden? (ggf. km-Leistung und Geschwindigkeit ablesen)
- Fahrrad nach erstem Eindruck fahrtüchtig?
- Bremsen funktionsfähig?
- Art der Pedale und Schuhe des Fahrers (Griffigkeit)
- Laufräder drehbar (Seitenschlag?)
- Reifen platt?
- Beladung (Art und Ort, Gewicht, Verteilung)
8. Fahrrad für mögliche gutachterliche Untersuchung unverändert sicherstellen!
- Notizen und Dokumentation
- Fakten aufnehmen:
-
- Datum, Uhrzeit, Wetter, Temperatur, Sicht, Fahrbahnzustand, etc.
- Fotos machen: Unfallstelle, Fahrrad, Spuren, Schäden, etc.
- Maße aufnehmen**: Abstände zwischen Fahrer und Fahrrad, Unfallspuren, etc.
- Angaben der Beteiligten und Zeugen aufnehmen**: Namen, Adressen, Aussagen
Durch die Berücksichtigung dieser Punkte können Unfälle mit Fahrrädern und Pedelecs präziser erfasst und analysiert werden, was zu einer besseren Aufklärung der Unfallursachen führt.