Seit Langem wird die Frage, ob die Betriebsanleitungen von Pedelecs, E‐MTBs und E‐Cargo‐Bikes gedruckt oder digital bereitgestellt werden dürfen, in der Fahrradbranche unterschiedlich beantwortet. Mit dem Erscheinen der neuen Maschinen‐Verordnung hat die Diskussion wieder Fahrt aufgenommen. Das Zedler‐Institut hat dazu die Original‐Texte aus der neuen Verordnung, die anzuwendende Norm, die Positionierung der Gesellschaft für Technische Kommunikation – tekom Deutschland e.V. und die gelebte Praxis zusammengetragen:
Die neue Maschinen‐Verordnung stellt im Kapitel II, Pflichten der Wirtschaftsakteure, Artikel 10 (7) und (8) klar:
(7) Die Hersteller gewährleisten, dass der Maschine oder dem dazugehörigen Produkt die
Betriebsanleitung und die Informationen nach Anhang III beigefügt sind. Die Betriebsanleitung kann in
digitaler Form bereitgestellt werden. In der Betriebsanleitung und den Informationen ist das
Produktmodell, dem sie entsprechen, klar zu beschreiben. (…)
Bei Maschinen bzw. dazugehörigen Produkten, die für nichtprofessionelle Nutzer bestimmt sind oder
unter vernünftigerweise vorhersehbaren Umständen von nichtprofessionellen Nutzern verwendet
werden können, auch wenn sie nicht für sie bestimmt sind, muss der Hersteller die
Sicherheitsinformationen, die für die sichere Inbetriebnahme der Maschine bzw. des zugehörigen
Produkts und für deren bzw. dessen sichere Verwendung wesentlich sind, in Papierform bereitstellen.
(…)
(8) Die Hersteller gewährleisten, dass der Maschine bzw. dem dazugehörigen Produkt die EU-Konformitätserklärung nach Anhang V Teil A beiliegt, oder die Hersteller geben alternativ in der
Betriebsanleitung und den Hinweisen nach Anhang III Abschnitt 1.7 die Internetadresse oder den
maschinenlesbaren Code an, unter der bzw. dem auf diese EU‐Konformitätserklärung zugegriffen
werden kann.
Digitale EU‐Konformitätserklärungen sind für die erwartete Lebensdauer der Maschine bzw. des
dazugehörigen Produkts und in jedem Fall für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren nach dem
Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme der Maschine bzw. des dazugehörigen Produkts online zur
Verfügung zu stellen.
EPAC‐Norm DIN EN 15194:2018‐11
Schon seit Längerem schreibt die aktuell geltende Pedelec/EPAC‐Norm für elektromotorisch
unterstützte Fahrräder eindeutig die Papierform fest. Zudem ist darin der zu liefernde Umfang der
Sicherheitsinformationen recht eindeutig beschrieben:
6 Gebrauchsanleitung
Jedes EPAC muss mit Anweisungen in der Sprache des Landes, in das das EPAC geliefert werden soll,
ausgestattet sein. In den verschiedenen Ländern können örtliche Anforderungen hinsichtlich dieser Art
der Informationen gelten (siehe EN 82079‐1). Die Gebrauchsanleitung muss unbedingt in Papierform
bereitgestellt werden. Für ausführlichere Informationen und für deren Zugang durch schutzbedürftige
Personen sollte die Gebrauchsanleitung zusätzlich auf Anfrage in elektronischer Form vorliegen.
Und das sagt die tekom
Rechtsanwalt Jens‐Uwe Heuer‐James äußert sich in Ausgabe 05 (September/Oktober 2023) der
Fachzeitschrift „technische kommunikation“ der Gesellschaft für Technische Kommunikation – tekom
Deutschland e.V. in seinem Artikel „Die EU sorgt für Spannung“ ebenfalls zur Form der
Betriebsanleitung:
(…)
„Digitalisierung ist umstritten
Die Lobby‐Arbeit der tekom hat sich bezahlt gemacht, und das Werben für den Einstieg in die digitale
Nutzerinformation ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Mit der Maschinen‐Verordnung ist nun die
„digitale Betriebsanleitung“ möglich.
Allerdings hat sich in der umfassenden Diskussion dieses Ansatzes gezeigt, dass die Digitalisierung nicht
überall akzeptiert wird. Bei den Beratungen kritisierten insbesondere die Verbraucherverbände den
Ansatz. Die Kritik der Verbände wurde respektiert. Für Verbraucherprodukte gilt die Digitalisierung der
Nutzungsinformation im Sinn eines Ersatzes der Papierdokumentation nicht. Es ist lediglich möglich,
Verbrauchern zusätzlich das Angebot digitaler Nutzerinformationen zu machen.
Im B2B‐Bereich sind für die digitale Bedienungsanleitung verschiedene Anforderungen formuliert, die
allesamt zu beachten und zu erfüllen sind. Zunächst ist es die Pflicht des Herstellers, den Zugang zur
digitalen Nutzerinformation zu ermöglichen. Dem Wortlaut nach bedeutet das nicht zwangsläufig,
Informationen über das Internet bereitzustellen. Allerdings gehen die Verfasser der Maschinen‐
Verordnung davon aus, dass dies wohl die präferierte Vorgehensweise sein wird. Genauere Details etwa
für Hinweise, wie der Zugang aussehen soll, fehlen derzeit noch. Es dürfte allerdings so sein, dass ein
möglichst einfacher Zugang gefordert wird.
Anforderungen an die Bereitstellung
Weiter bleibt dafür Sorge zu tragen, dass die Zugangsmöglichkeit für die Lebensdauer der Maschine
vorhanden sein muss, mindestens jedoch für zehn Jahre. Der Einsatz einer stabilen, zukunftssicheren
Technik ist gefordert. Gleichfalls verbieten sich spontane Umzüge von Internetseiten, ohne dass nicht
die Weiterleitung des bestehenden Zugriffs sichergestellt ist. Zu beachten bleibt auch, dass in Bezug auf
die digitalisierte Anleitung das Erfordernis der Verständlichkeit besteht. Hier bleibt in Zukunft zu klären,
wie dies im Einzelnen aussieht. Eine auf das digitale Medium ausgerichtete Technische Redaktion ist in
jedem Fall erforderlich. Einfach große Textmengen als PDF bereitzustellen, dürfte allerdings nicht der
erforderlichen Verständlichkeit entsprechen.
Ebenfalls eine wichtige Voraussetzung ist, dass die digitale Information vom Nutzer abgespeichert und
ausgedruckt werden kann. Dies soll auch für alle Informationen gelten, die als Hilfe in der Software der
Maschine bereitgestellt werden („Online‐Hilfe“). Dabei dürfte es nicht genügen, lediglich Screenshots
zu verwenden; eine gewisse inhaltliche Aufarbeitung wird erwartet. Genaue Kriterien hierzu gibt es
allerdings derzeit nicht.“ (…)
Hinweise zur gelebten Praxis von Betriebsanleitungen
Zusammenfassend lässt sich also aus den anzuwendenden Verordnungen und Normen der einfache Merksatz ableiten: B2B rein digital ja, B2C rein digital nein. Der Komponentenhersteller darf beim Verkauf von Bauteilen an den Fahrradhersteller digital Komponentenanleitungen bereitstellen. Der Fahrradhersteller bzw. dessen Handelspartner muss jedoch die normkonforme Betriebsanleitung für komplette und fahrbereite Pedelecs beim Verkauf an den Endverbraucher in Papierform aushändigen.
Ferner ist er für ein Gewerbeaufsichtsamt bzw. die Marktaufsichtsbehörde zu hundert Prozent ohne Anfangsverdacht, wenn er die Anleitung für das Fahrrad/Pedelec in der jeweiligen Landessprache gedruckt beilegt.
Durchgesetzt haben sich in der Praxis auch Hybridkonzepte mit einer gedruckten, kurzen
Betriebsanleitung in mehreren Sprachen, die per Weblink oder QR‐Code auf umfangreiche
Vollanleitungen, spezifisch nach Pedelec‐/E‐Bike‐Kategorie, verweisen. Auch Anleitungen der
Antriebs‐ und Komponentenzulieferer wurden im Bereich „Technischer Support“ verortet. Beide
Konzepte sind in vielen Ländern der Europäischen Union, aber auch in UK und der Schweiz ohne
Schwierigkeiten von den Marktaufsehern und Unfallverhütungsämtern akzeptiert worden.
Quellen:
- EU‐Verordnung 2023/1230 (https://eur‐lex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32023R1230)
- DIN EN 15194:2018‐11 – Fahrräder ‐ Elektromotorisch unterstützte Räder – EPAC
- „technische kommunikation“, Ausgabe 05, September / Oktober 2023 der Gesellschaft für Technische Kommunikation – tekom Deutschland e.V.