Sehen und Gesehenwerden spielen für die Verkehrssicherheit eine ganz entscheidende Rolle. Deshalb ist das Thema Lichttechnik am Fahrrad besonders wichtig – nicht zuletzt in der dunklen Jahreszeit: Im Herbst und Winter findet der Großteil des täglichen Berufsverkehrs in der Dämmerung und bei Dunkelheit statt.
Ein Frontscheinwerfer am Fahrrad hat eine doppelte Funktion: Zum einen leuchtet er für den Radfahrer die vor ihm liegende Strecke aus, zum anderen macht er – als einer von mehreren Faktoren – den Radfahrer für andere Verkehrsteilnehmer sichtbar. Dieser Punkt kann aber schnell ins Gegenteil kippen: Wenn der Scheinwerfer falsch eingestellt ist, wird der Gegenverkehr geblendet, was das Unfallrisiko deutlich steigert.
Jede Lichtquelle blendet – entscheidend ist, wie stark
„Das gesunde menschliche Auge ist grundsätzlich recht gut darin, sich an dunkle Umgebungssituationen anzupassen“, sagt Danijel Cakeljic, Unfallanalytiker und Lichttechnik-Experte bei der Sachverständigenorganisation DEKRA. „Es steigert nach und nach die Empfindlichkeit und kann so nach einigen Minuten selbst schwache Kontraste wahrnehmen. Begegnet es nun in diesem Zustand einer punktuellen Lichtquelle, wird es kurzzeitig überreizt: Das Auge regelt sofort die Empfindlichkeit herunter und kann danach neben der Lichtquelle nur noch relativ starke Kontraste unterscheiden. Das macht die Blendung so gefährlich, denn je weniger Feinkontraste ich sehen kann, umso größer wird im Ernstfall die Unfallgefahr.“
Geblendet werden wir also von einer Lichtquelle bei Dunkelheit grundsätzlich immer – die Frage ist allerdings, wie stark die Blendwirkung ist. Und hier kommt die richtige Einstellung von Lichttechnik ins Spiel. „Je kleiner der Blendwinkel ist, umso stärker die Blendwirkung“, erklärt der DEKRA Experte. „Mit anderen Worten: Je direkter unter anderem ein Fahrradscheinwerfer einem entgegenkommenden Autofahrer ins Gesicht leuchtet, umso gefährlicher wird die Situation.“
Dasselbe gilt natürlich erst recht für den umgekehrten Fall, also für Autoscheinwerfer, die den Radfahrer blenden. Mit dem Unterschied, dass es beim Auto klar festgelegte Regeln für die Einstellung der Scheinwerfer gibt, der Einhaltung zum Beispiel auch im Rahmen der Hauptuntersuchung überprüft wird. „Für Fahrradscheinwerfer existiert ein solches Regelwerk nicht in der gleichen Ausprägung“, sagt Cakeljic. „Dabei ist die Blendwirkung nicht zu vernachlässigen. Ein falsch eingestellter Fahrradscheinwerfer kann einen entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer durchaus so blenden, dass er einen Fußgänger, der hinter dem Fahrrad auf die Fahrbahn tritt, nicht mehr erkennen kann und es dann zum Unfall kommt. Wir erleben das unter anderem vielfach im Begegnungsverkehr von Radfahrern untereinander.“
Richtige Einstellung nach Herstellervorgaben entscheidend
Entscheidend ist deshalb die richtige Einstellung des Scheinwerfers. Der DEKRA Experte empfiehlt Fachbetrieben, darauf ein genaues Auge zu haben und unbedingt die jeweiligen Herstellervorgaben zu beachten. Denn die allgemeinen Vorschriften in der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) besagen nur, dass lichttechnische Einrichtungen nicht blenden dürfen. Gerade deshalb gilt auch die klare Empfehlung, nur hochwertige Produkte zu verbauen. In Deutschland zugelassen sind nur lichttechnische Einrichtungen mit dem entsprechenden Prüfzeichen, bestehend aus einer Wellenlinie, dem Buchstaben K und einer Ziffernfolge. „Von wahllos im Internet bestellter Ware ist gegenüber den Kunden unbedingt abzuraten – abgesehen von der fehlenden Zulassung gibt es hier oft keine Einstellvorgaben, die Wahrscheinlichkeit gefährlicher Blendung ist größer“, so der Unfallanalytiker.
Was aber ist mit Zubehör, das nicht am Fahrrad verbaut, sondern zum Beispiel auf dem Helm getragen wird? „Solche Produkte sind nicht verboten“, erklärt Cakeljic. „Es gibt auch hier nur die Vorgabe, dass sie so verwendet werden müssen, dass sie nicht durch ihre Blendwirkung zur Gefahr werden können.“
Auch passive lichttechnische Einrichtungen sind wichtig
Fürs Gesehenwerden sind in der StVZO nicht nur aktive lichttechnische Einrichtungen wie Scheinwerfer und Rückleuchten vorgeschrieben, sondern auch passive – also Rückstrahler, Pedal-, Speichen- oder Reifenreflektoren. Diese Vorschrift gilt aber nicht für alle Fahrräder. Ausgenommen sind zum einen die ganz kleinen Kinderräder, die als Spielzeuge gelten, zum anderen Räder mit einem Gewicht von weniger als 11 Kilogramm; sie sind als Sportgeräte definiert. „Auch auf dem Rennrad ist es bei Dämmerung und Dunkelheit für die eigene Sicherheit entscheidend, wie gut man zu sehen ist“, sagt der DEKRA Fachmann. „Das geht am besten mit kontrastreicher Kleidung und retroreflektierenden Elementen. Idealerweise vor allem an den Beinen, denn die anderen Verkehrsteilnehmer nehmen – wie alle Menschen – Bewegungen viel besser wahr.“ Statische Lichtquellen können in manchen Fällen perspektivisch nicht zugeordnet werden. Durch die Bewegung der retroreflektierenden Elemente wird es viel einfacher, einen Radfahrer als solchen zu identifizieren und richtig zu reagieren.
Das Zubehör-Angebot im Hinblick auf Sichtbarkeit ist groß: Reflektorbänder für die Unterschenkel, retroreflektierenden Jacken und vieles mehr. „Der Zweirad-Fachhandel hat hier gute Chancen, durch die entsprechende Beratung seiner Kundschaft das Bewusstsein für das Thema Sicherheit zu wecken“, sagt der DEKRA Unfallexperte.
Mehr Informationen unter Expertentipp: Schadengutachten Fahrräder & E-Bikes | DEKRA