Trends Eurobike 2023: So viele Innovationen wie selten zuvor

Im Fahrradmarkt ist derzeit oft vom „Ketchupflascheneffekt“ die Rede. Beschrieben wird damit die Situation, dass in den letzten Monaten viel Ware in die Fahrradläden schwappte, die zum Teil schon vor ein bis zwei Jahren bestellt worden ist. Mit dem Bild der Ketchupflasche lässt sich aber auch die Neuheitenflut auf der kommenden Eurobike (21. bis 25. Juni 2023) beschreiben.

Trends Eurobike 2023 ©Eurobike
Trends Eurobike 2023 ©Eurobike

Nachdem die Marktteilnehmer in den vergangenen Jahren ihren Fokus eher auf die Bewältigung des sprunghaft gestiegenen Absatzes als auf die Entwicklung neuer Produkte gelegt hatten, befindet sich in diesem Jahr ein ganzer Schwall an Neuheiten im Messegepäck der mehr als 1.900 Eurobike-Aussteller. Hier ein Überblick über einige spannende Trends und Neuheiten im Fahrradmarkt, die auf der Eurobike Premiere feiern.


Trend Nr. 1: Die neue Antriebsvielfalt

Viele Hersteller von E-Bike-Antrieben hüllen sich noch bis zum ersten Messetag eisern in Schweigen, mit welchen Neuheiten sie die Fachwelt auf der Eurobike überraschen wollen. Fahrradhersteller, die vorab eingeweiht wurden, müssen sich ebenfalls vertraglich zur völligen Verschwiegenheit verpflichten. Der Aha-Effekt wird also auf der Eurobike mit Sicherheit gewährleistet sein.

 

Aber schon jetzt ist abzusehen, dass die Eurobike die wohl größte Zahl an Weltpremieren von neuen E-Bike-Antrieben in ihrer Geschichte erleben wird. Ein Auslöser dafür ist, dass es künftig für praktisch jeden denkbaren Anwendungsfall speziell ausgelegte Antriebssysteme geben wird. Bestes Beispiel sind die Cargo-Bike-Systeme, die inzwischen bei den meisten führenden Anbietern im Programm zu finden sind. Ein Entwicklungsschwerpunkt für das Modelljahr 2024 liegt nun auf besonders leichten E-Bike-Antrieben, die künftig beispielsweise an Gravel-Bikes und Rennrädern, aber auch an stylishen Urban-Bikes zu sehen sein werden. 

 

Trend Nr. 2: Cargo Bikes für jede Aufgabe

Cargobikes waren in den letzten Jahren der Überflieger im Fahrradmarkt. Kaum eine andere Fahrradkategorie ist prozentual gesehen so stark gewachsen wie die Fahrräder zum Lasten- und Kindertransport. Längst hat sich das Cargo-Segment in ganz verschiedene Fahrradtypen diversifiziert, die für jede Transportaufgabe eine passgenaue Lösung bieten. Noch eine relativ junge Entwicklung im Cargo-Markt ist, dass neben speziellen E-Bike-Antrieben (siehe oben), immer mehr auch andere Komponenten für den Lastentransport maßgeschneidert werden. Insbesondere bei den Bremsen dürfte es in diesem Zusammenhang einige Eurobike-Neuheiten zu sehen geben.

 

Trend Nr. 3: Schalten im 21. Jahrhundert

Purer Luxus wird signalisiert, wenn die Marke Campagnolo und die Modellbezeichnung Super Record auf einer Fahrradkomponente stehen. Die Rennradgruppe des italienischen Herstellers ist quasi die Rolex unter den Schaltungen. Doch auch diese Ikone der Rennradtechnik ist längst im Zeitalter von Elektronik und Digitalität angekommen. Auf der Eurobike zeigt Campagnolo seine erste Rennradschaltung, deren Schaltimpulse vom Lenker ans Schaltwerk gefunkt werden. Übrigens, pünktlich zum 90. Firmenjubiläum: 1933 brachte Firmengründer Tullio Campagnolo die ersten Schnellspanner für Fahrräder auf den Markt, wenige Jahre später erfand der innovative Italiener die erste Kettenschaltung.

 

Die Auszeichnung als Vorreiter bei der drahtlosen Schalttechnik kann sich jedoch ein anderer Player im Fahrradmarkt anheften, nämlich der amerikanische Anbieter SRAM, der auf der Eurobike erstmals seine Funktechnologie AXS auch für Schaltungen im mittelpreisigen Rennrad-Segment vorstellen wird. Schalten per Funk wird damit also zunehmend zur Standardtechnik. Apropos Standard: Nicht minder spannend, sind die neuen MTB-Schaltungen von SRAM, die künftig kein Schaltauge mehr am Fahrrad benötigen.

 

Wenn es um Innovationen in der Schalttechnik geht, darf natürlich ein Name in der Fahrradwelt nicht unerwähnt bleiben: Shimano bringt als Messeneuheit unter anderem seine neue Komponentengruppe Cues mit zur Eurobike, mit der die Japaner ihre digitale Di2-Technologie samt Autoshift (schaltet automatisch) und Freeshift (schaltet auch im Stand) auch im urbanen E-Bike-Segment einführen.

 

Trend Nr. 4: Made in Europe

Nicht erst seit den Coronajahren ist sich die Fahrradwelt ihrer Abhängigkeit von global überdehnten Lieferketten bewusst. Insofern ist es auch keine ganz neue Entwicklung mehr, dass die Marktteilnehmer zunehmend versuchen, die Produktion wieder näher an die europäischen Märkte zu holen. Eine Vorreiterrolle nimmt dabei insbesondere auch die portugiesische Fahrradindustrie ein, die zudem nicht nur durch ihre Nähe zum Markt, sondern auch durch State-of-the-Art-Produktionsprozesse zu überzeugen weiß. Wer mehr über diese Marktentwicklung wissen will, findet auf der Eurobike mit Triangle’s und Carbon Team zwei interessante Anlaufpunkte zur Recherche. Beiden Unternehmen ist es mit weitgehend automatisierten Prozessen gelungen, dem einen mit Aluminium-, dem anderen mit Carbonrahmen, in Europa eine Fertigung im industriellen Maßstab aufzubauen, die selbst anspruchsvollste Abnehmer überzeugt. Das Ende des Zeitalters, in dem Fahrradrahmen nur noch in Fernost gefertigt wurden, scheint damit eingeläutet.

 

Trend Nr. 5: Fahrrad mit gutem Gewissen

Radfahren ist wohl unbestritten die beste Form, um im Alltag von A nach B zu kommen. Es hält gesund, benötigt nur eine vergleichsweise schlanke Infrastruktur und ist – selbst als E-Bike – die Mobilitätsform mit dem kleinsten ökologischen Fußabdruck. Das Fahrrad selbst, oder vielmehr dessen Entstehung, ist zwar ebenfalls kein Ressourcenfresser, aber hier gibt es sicherlich noch einiges Potenzial für ein noch nachhaltigeres Produkt. Und immer mehr Unternehmen im Fahrradmarkt schreiben sich auf die Fahnen, diese Potenziale auszuschöpfen.

 

Das hat vor allem dann einen großen Impact, wenn es um ein Fahrradbauteil geht, das regelmäßig erneuert werden muss. Insofern ist besonders spannend, was schon seit einigen Jahren bei Reifenhersteller Schwalbe geschieht, der als einer der ersten Marktteilnehmer die ökologische Verantwortung ganzheitlich im Unternehmen verankert hat. Als Messeneuheit für die Eurobike 2023 hat Schwalbe nun angekündigt, dass der Anteil der Reifenmodelle mit fair gehandeltem Naturkautschuk im kommenden Modelljahr versechsfacht wird. Klingt trivial, ist aber mit der dahinterstehenden Fair-Rubber-Initiative ein sehr anspruchsvolles Vorhaben, über das der Reifenhersteller an seinem Messestand einige Einblicke gibt.

 

Mehr über nachhaltige Fahrradprodukte lässt sich aber nicht nur bei Schwalbe auf der Eurobike herausfinden, das Thema hat vielmehr bei nahezu allen Marktteilnehmern an Bedeutung zugelegt. Angefeuert auch von vielen Start-ups in der Branche, die sich mit einer besonders nachhaltigen Ausrichtung ihren Platz im Markt erobern wollen. Wie der junge Kinderradhersteller Li:On Bikes, der sich mit einem besonderen Fertigungskonzept auf der Eurobike erstmals der Fachwelt präsentiert.  

 

Dieser Trendreport könnte zehn Seiten umfassen und würde doch nicht die vielen spannenden Entwicklungen auch nur annähernd umfassen, die in diesem Jahr auf der Eurobike ihre Weltpremiere feiern. Nach den Coronajahren hat die Fahrradbranche ihre Innovationsfreude wieder entdeckt. Deshalb gilt für Messebesucher wie für Medienteilnehmer mehr denn je: Kommen, sehen, staunen.

 

Die Eurobike findet in diesem Jahr in acht Messehallen auf dem Gelände der Messe Frankfurt statt und ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Während die ersten drei Messetage dem Fachpublikum vorbehalten sind, wird die Eurobike an den Festival Days Samstag und Sonntag zum Fahrrad-Event für alle radbegeisterten Menschen.

 

Weitere Informationen unter: www.eurobike.com.