Deutschland sucht händeringend nach Fachkräften. Doch eine aktuelle Studie der OECD zeigt, dass die Bundesrepublik für internationale Arbeitskräfte immer unattraktiver wird. In Zwickau gibt es deshalb jetzt das Welcome Center, das den Zugezogenen von der Wohnungs- und Jobsuche bis zum Sprachkurs und vielem mehr unter die Arme greift.
Marianne Kahnt ist Koordinatorin des Welcome Centers. Sie hilft Menschen wie Nikhil Apte, der den Zwickauer Antriebsspezialisten Pendix inzwischen als Softwareentwickler unterstützt. Im Interview erzählen die beiden, welche Erfahrungen sie beim Thema Einwanderung gemacht haben, worauf Zuzügler achten sollten und ob Zwickau nicht doch besser ist als sein Ruf.
Willkommen in Zwickau
Bundesweit sind viele Stellen unbesetzt, Fachkräftemangel ist und bleibt ein großes Problem für Unternehmen in ganz Deutschland. Auch im sächsischen Zwickau ist dies zu spüren. Deshalb gibt es hier jetzt das Welcome Center, das Menschen den Umzug in die Region erleichtern soll. Koordiniert wird es von Marianne Kahnt. Sie hilft Menschen wie Nikhil Apte, der inzwischen als Softwareentwickler beim Zwickauer Antriebsspezialisten Pendix arbeitet. Die Agentur Team Code Zero hat mit beiden darüber gesprochen, wie Zugezogene in der Region zurechtkommen, mit welchen Hürden sie kämpfen müssen und welchen Ruf Zwickau hat.
Zwischen Pune in Indien und Zwickau liegen Welten. Wie hat es Sie nach Sachsen verschlagen, Herr Apte?
Nikhil Apte: Ich kam im Januar 2017 für den Abschluss meines Masterstudiums nach Deutschland. Genauer gesagt nach Chemnitz, wo ich einen Platz im Studiengang Informatik an der Technischen Universität ergattern konnte. 2020 habe ich dann bei Pendix angefangen, wo ich als Softwareentwickler arbeite und unter anderem unsere App mit neuen Funktionen ausstatte und dem eDrive bisweilen ein Update verpasse. Ich habe mich regelrecht in die Region verliebt und pendle gern zwischen Chemnitz und Zwickau.
Nikhil Apte war einer von rund 4.500 Menschen, die 2020 nach Zwickau gezogen sind. Nach Ihrer Erfahrung ein typisches Beispiel, Frau Kahnt?
Marianne Kahnt: Den typischen Neu-Zwickauer gibt es eigentlich gar nicht. Zu uns kommen Menschen aus aller Welt – von Asien, über Europa bis nach Amerika. Oder auch aus Deutschland, das macht rund ein Viertel der Menschen aus, die ich betreue. Sei es, weil sie sich um ihre alten Eltern kümmern, weil sie bei der Kinderbetreuung gern auf die Großeltern zurückgreifen möchten oder weil sie ihre alte Heimat vermissen oder, sei es, weil es hier einfach super ist. Die Ratsuchenden haben vollkommen verschiedene berufliche Hintergründe, von der spezialisierten Fachkraft bis hin zu den weniger qualifizierten Arbeitskräften ist jeder willkommen. Durch den Zuzug der Arbeits- und Fachkräfte aus dem In- und Ausland können wir den Mangel an Arbeitskräften zumindest abdämpfen.
Wie genau greift ihnen das Welcome Center unter die Arme?
Marianne Kahnt: Wir helfen den Leuten nicht nur beim Ankommen, sondern auch beim Bleiben. Zunächst geht es meistens um ganz allgemeine Fragen: Wie bekomme ich eine Wohnung, wo finde ich Ärzte, Ansprechpartner in den Behörden oder einen Kindergarten- oder Schulplatz? Manchmal kommen aber auch speziellere Fragen auf uns zu, etwa, ob ein slowakischer Angelschein auch in Deutschland gültig ist (lacht). Wir sind also die zentrale Anlaufstelle für alle Zuwanderer aus dem In- und Ausland und somit als Generalist zu sehen. Da das Welcome Center während der Coronapandemie entstand, hatten wir aufgrund der Lockdown- und Hygienemaßnahmen einen holprigen Start, doch inzwischen konnten wir schon vielen Menschen den Start in Zwickau und im gesamten Landkreis erleichtern. Das Angebot wird dankend angenommen und die Leute leben gern in Zwickau.
Die Stadt ist also besser als ihr Ruf?
Nikhil Apte: Ich denke schon. Die meisten Menschen sind offen, herzlich und gastfreundlich. Wobei gastfreundlich bei mir inzwischen das falsche Wort ist, ich fühle mich nicht mehr als Gast, sondern ich bin hier heimisch geworden. Hautfarbe, Herkunft oder Akzent spielen hier keine Rolle. Die Leute interessieren sich eher für meine Geschichte und ich finde, dass sich unsere Kulturen toll ergänzen. Egal, ob Zwickau oder Chemnitz, ich finde beide Städte klasse. Eine Mischung aus Dorf und Stadt, und das Umland mit seinen Hügeln, Flüssen und Wiesen ist wunderschön. Ein großer Unterschied zu dem Trubel in Indien.
Marianne Kahnt: Das höre ich auch immer wieder von den Menschen, die zu uns ins Welcome Center kommen. Der Mix in Zwickau ist für viele Menschen genau das, was sie suchen. Eine gute Mischung aus Urbanität und Landleben, ein wenig von allem.
Wie sieht es mit den sprachlichen Hürden aus?
Nikhil Apte: Zu Beginn musste ich mich noch oft mit Händen und Füßen verständigen, aber inzwischen läuft es schon sehr gut. Ich würde auch allen Menschen aus dem Ausland raten, sich intensiv mit der deutschen Sprache zu beschäftigen. Mit den Menschen nicht vernünftig kommunizieren zu können, war sicherlich das größte Problem während meiner Anfangszeit in Deutschland. Als ich dann bei Pendix angefangen habe, hatten sich meine Deutschkenntnisse schon wesentlich verbessert, so fiel mir der Jobeinstieg auch echt leicht. Mit meinen Kollegen aus der IT-Abteilung kann ich notfalls auch Englisch reden – das ist in unserem Bereich ohnehin die Standardsprache.
Marianne Kahnt: Beim Deutschlernen können wir frischen oder zukünftigen Zwickauern super weiterhelfen. Insgesamt arbeiten wir mit fünf unterschiedlichen Sprachschulen zusammen, sodass wir etliche Sprachen abdecken können. Wir bekommen auch viel Hilfe von Ehrenamtlichen, die den Einwanderern in ihrer Freizeit Unterricht geben. Generell ist das Engagement wirklich groß, den Neuankömmlingen in allen Bereichen zu helfen, auch bei den Kollegen bei uns im Haus.
Wie läuft die Jobsuche bei Ihnen ab?
Marianne Kahnt: Wir arbeiten eng mit den lokalen Unternehmen zusammen, darunter auch Pendix. Über unsere Webseite kommen die Leute direkt zum Jobportal für die Region und können gezielt nach offenen Stellen in ihrer Branche suchen. Vor Ort helfen wir ihnen aber natürlich auch bei allen offenen Fragen. Und auch die Unternehmen selbst unterstützen wir mit Informationen, wenn sie das erste Mal einen Menschen aus dem Ausland einstellen. In diesem Jahr erweitern wir unser Angebot. Das Welcome Center wird ergänzt durch ein Fachinformationszentrum Zuwanderung (FIZU), was es in den drei großen Städten in Sachsen schon gibt. So können wir dann gemeinsam mit dem FIZU unsere Beratungs- und Informationsangebote für Zuziehende und Unternehmen erweitern, insbesondere wenn es um die Anerkennung ausländischer Abschlüsse geht.
Und was haben Sie für die Zukunft geplant, Herr Apte?
Nikhil Apte: Im Moment bin ich sehr glücklich bei Pendix. Ich habe eine neue Heimat gefunden und hätte nichts dagegen, noch einige Jahre hierzubleiben. Vielleicht auch für immer, wer weiß. Es ist noch nicht lange her, da habe ich Software in Indien entwickelt, heute arbeite ich in Deutschland und trage einen Teil zur Verkehrswende bei. Egal, was die Zukunft bringt, meine Zeit in Zwickau wird mir immer positiv in Erinnerung bleiben.