Der russische Krieg gegen die Ukraine wird aufgrund der entstandenen Energieknappheit und steigenden Mobilitätskosten viele Menschen zusätzlich motivieren, häufiger auf das Fahrrad zu steigen. Die Fahrradindustrie zeigte mit ihren Produkten bereits 2021, wie sich Spaß, Nutzen, neue Arbeitsplätze und Unabhängigkeit miteinander verbinden lassen. Trotz aller Herausforderungen war auch das Jahr 2021 ein großer Erfolg für die deutsche Fahrradindustrie.
Die Ausgangslage für das Jahr 2021 war denkbar kritisch. Von Anfang an war absehbar, dass es kein einfaches Jahr sein würde: Pandemiebedingte Werksschließungen, massiv gestörte Lieferketten und Lieferschwierigkeiten sorgten für gravierende Probleme, die den Erfolg der Industrie gefährdet haben. Dennoch konnten die Hersteller ihre Produktion in einem solchen Jahr um zehn Prozent steigern. Dieser Erfolg war nicht zuletzt das Ergebnis von Reshoring-Effekten, die bereits heute zu beobachten sind. Die Industrie hätte ein noch deutlich besseres Ergebnis erzielen können, wenn dringend benötigte Teile besser verfügbar gewesen wären.
Mehr Produktion, höherer Lagerbestand
Die Zahlen im Detail: Die Inlandsproduktion lag bei 2,37 Millionen Fahrrädern. Im vergangenen Jahr (2021) wurden 1,43 Millionen Pedelecs (ein Plus von 8 Prozent) und 0,94 Millionen Fahrräder (ein Plus von 13,2 Prozent) in Deutschland hergestellt. Der Wert der Fahrräder stieg auf 6,56 Milliarden Euro.
Zudem wurden 4,14 Millionen Fahrräder und Pedelecs nach Deutschland importiert. Dies stellt ein Plus von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr dar. Der Export blieb mit 1,56 Millionen Einheiten praktisch unverändert.
Die gesamte Inlandsanlieferung, also die Summe von Produktion und Import abzüglich Export, stieg um 14 Prozent auf 4,94 Millionen Fahrräder (Vorjahr: 4,32 Millionen). Berücksichtigt man die sich nun wieder auffüllenden Lager, ergibt sich eine Inlandsanlieferung von 4,7 Millionen Fahrrädern (Vorjahr: 4,97 Millionen). Die Differenz von rund 240.000 Fahrrädern und Pedelecs schlägt sich als Lagerbestandsveränderung nieder. Das bedeutet, dass zum Jahresende hin mehr Fahrräder produziert als verkauft wurden. Es bedeutet auch, dass interessierte Käuferinnen und Käufer zumindest zu Beginn der anstehenden Saison 2022 über eine größere Produktauswahl verfügen.
Verkaufszahlen
Nach dem Rekordjahr 2020 ist auch das Jahr 2021 als Erfolg zu werten. Die Zahl der verkauften Pedelecs ist von 1,95 auf 2 Millionen gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl der verkauften Fahrräder von 3,09 auf 2,7 Millionen Stück gesunken, so dass die Zahl der verkauften Einheiten von 5,04 Millionen auf 4, 7 Millionen zurückging. Sie befindet sich damit aber nach wie vor deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. „Wir sind auf ein neues Level gesprungen“, erklärt dazu ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. Eine bessere Warenverfügbarkeit hätte auch hier zu höheren Verkaufszahlen geführt. Diese eingeschränkte Lieferfähigkeit und die zwischendurch verbreitete Wahrnehmung, Fahrräder seien ausverkauft, haben ein noch besseres Abschneiden verhindert.
Fahrradbestand
Das Fahrrad bestätigt seine Bedeutung für die Bevölkerung als wichtiges Verkehrsmittel und Freizeitvergnügen. Insgesamt liegt der Fahrradbestand in Deutschland nun bei 81 Millionen. Zumindest statistisch verfügen nun fast jeder Bundesbürger und jede Bürgerin über ein Fahrrad. Es ist und bleibt damit das Verkehrsmittel mit den meisten Fahrzeugen im Bestand. Die nun 8,5 Millionen vorhandenen Pedelecs machen das Elektrofahrrad zu einer bedeutenden Option im Pendelverkehr und in der Freizeit. Der E-Bike-Bestand liegt beim 25-fachen des E-Pkw-Bestands. „Die Fahrradindustrie hat Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität gemacht“, stellt dazu Burkhard Stork fest, „und das ganz ohne großzügige Förderungen.“ Angesichts der deutlich intensiveren Nutzung von Pedelecs im Vergleich zu unmotorisierten Fahrrädern besteht heute dringender Handlungsbedarf, schnell mit der verfügbaren Infrastruktur nachzuziehen.
Preise und Vertriebswege
Der Online-Handel boomt überall – nur nicht in der Fahrradbranche. Im vergangenen Jahr wurden Fahrräder zum überwiegenden Teil im stationären Fachhandel verkauft. Dieser konnte seinen Marktanteil deutlich ausbauen auf 73 Prozent, während über Online-Vertriebskanäle 20 Prozent des Volumens verkauft wurde. Das beratungsintensive Produkt Fahrrad, insbesondere mit E-Antrieb, bleibt klar eine Domäne des fachkundigen Fahrradhandels.
Der durchschnittliche Verkaufspreis der Fahrräder lag bei 1395 Euro. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich dieser Wert fast verdreifacht. Dieser Anstieg erklärt sich im Wesentlichen durch den stetig wachsenden Marktanteil von Pedelecs, der nun bei 43 Prozent liegt. Dieser wird absehbar in den nächsten Jahren weiter steigen.
Ausblick, Herausforderungen und Perspektiven
Die positive Entwicklung der deutschen Fahrradindustrie in den vergangenen Jahren und ihre Wirkung als Jobmotor in der heimischen Wirtschaft wird gefährdet durch den bestehenden Mangel an Arbeitskräften. Diese Situation wird sich absehbar weiter verschlechtern. Daher erwartet der ZIV vernünftige, moderne Weiterbildungsmöglichkeiten, die auch Quereinsteigern den Wechsel in die Fahrradindustrie erleichtern, sowie eine vernünftige Einwanderungspolitik. Erst diese Voraussetzungen ermöglichen weitere Produktionssteigerungen und ein fortgesetztes Reshoring nach Deutschland. Grundsätzlich erwartet der Zweirad-Industrie-Verband auch für die nächsten Jahre eine hohe Nachfrage. Die Chancen, die sich daraus für eine gelingende Verkehrswende ergeben, gilt es energisch zu nutzen und zu fördern.
Der Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV)
90% der im Jahr 2021 in Deutschland produzierten Fahrräder und E-Bikes stammen aus Mitgliedsunternehmen des ZIV. Der Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV) ist die nationale Interessenvertretung der deutschen und internationalen Fahrradindustrie. Dazu gehören Hersteller und Importeure von Fahrrädern, E-Bikes, Fahrradkomponenten und Zubehör. Als Branchenverband vertritt er rund 100 Mitgliedsunternehmen gegenüber Gesetzgeber, Regierung, Behörden, Medien, Institutionen und Organisationen.