46 Stunden und 53 Minuten brauchte die Schweizer Ultracyclerin Nicole Reist für die 1200 Kilometer und 7000 Höhenmeter des Adriatic Cycling Marathon in Süditalien, bei dem sie am Sonntag kurz vor 9 Uhr in Francavilla al Mare bei Pescara ins Ziel fuhr. Damit gewinnt sie erneut die Damenwertung und ist seit eindrücklichen 10 Saisons ungeschlagen. Ihr Plan, ihren eigenen Streckenrekord vom Vorjahr zu unterbieten, ging allerdings infolge eines Sturzes nicht auf.
Freitag startete Nicole Reist aus Weisslingen bei Winterthur zum zweiten Mal am Adriatic Cycling Marathon in Süditalien, ein Nonstop-Radrennen, das über 1200 Kilometer und 7000 Höhenmeter von Francavilla al Mare bei Pescara, auf der Höhe von Rom an der italienischen Ostküste gelegen, nach Südosten via Bari, um den Stiefelabsatz von Italien herum und wieder zurück führt. 46 Stunden und 53 Minuten später fuhr sie ins Ziel und gewann damit zum zweiten Mal die Damenwertung des Rennens.
Seitenwind und Sturz auf meerzsalzglatter Strasse
An dem noch eher jungen Rennen, das heuer zum vierten Mal stattfand, gelang Nicole Reist letztes Jahr als Frau der historische Overallsieg, mit einer Zeit von 43 Stunden und 40 Minuten.
Ein diesjähriges Ziel war es mitunter, diesen Streckenrekord nochmals zu unterbieten. Das ging aber nicht auf. «Wir hatten von Anfang an mit sehr viel Seitenwind zu kämpfen, was für
mich als leichte Fahrerin eine besondere Herausforderung ist», analysiert Nicole Reist. Dazu kam auch dieses Jahr wieder ein überraschender Sturz: «Da das Rennen fast ausschließlich
der Küste entlang geht, sind die Straßen oft von einer Art Meersalzfilm überzogen», erzählt sie. «In einer etwas feuchten Kurve ganz im Süden war die Oberfläche derart glatt, dass mir
das Vorderrad wie auf Eis einfach wegrutschte». Nicole Reist zog sich mehrere Schürfungen und Prellungen zu und brauchte einige Zeit, bis sie wieder aufs Rad steigen und weiterfahren
konnte. Als Folge dieses Sturzes plagten sie im weiteren Verlauf des Rennens stets Schmerzen, sodass an die Rekordzeit nicht mehr zu denken war. «Ich bin sehr froh, dass ich unter
gegebenen Umständen überhaupt das Ziel erreichte und meine Siegesserie fortsetzen konnte», so Nicole Reist. «Das habe ich vor allem meinem super Team zu verdanken, das mich in
dieser besonderen Situation top unterstützt hat!»
Im Ultracycling muss jedes Puzzleteil passen
Enttäuscht ist sie deshalb nicht. «Es zeigt einmal mehr, dass bei Ultracycling-Wettkämpfen einfach sehr vieles zusammenpassen muss, damit alles aufgeht. Vor einem Monat ist mir und meinem Team am Race Around Austria schlicht das perfekte Rennen gelungen – jedes einzelne Puzzleteil hat gepasst, körperlich, mental, das Wetter und die Zusammenarbeit in der Crew. Das führte dazu, dass ich dort die 2200 Kilometer und 35'000 Höhenmeter in absoluter Rekordzeit von 3 Tagen, 20 Stunden und 36 Minuten und damit als erste Frau unter der magischen Grenze von 4 Tagen fahren konnte», erzählt Nicole Reist. «Ein solch perfektes Rennen darf man aber nicht als Maßstab nehmen. Wenn nur wenig nicht optimal läuft, macht das in einem Ultracycling-Rennen schnell ein paar Stunden aus. Das war nun in Italien mit dem Sturz der Fall und gehört zu dem Sport einfach dazu.» Ihre Teilnahme am Adriatic Cycling Marathon bereut sie nicht: «Es ist ein kleines, aber feines Rennen. Die Streckenführung der Meeresküste entlang ist landschaftlich ausgesprochen schön – und für mich als «Bergeiß» eine sehr willkommene Abwechslung!»
Seit 2012 ungeschlagen
Mit ihrem Sieg am Adriatic Marathon beendet Nicole Reist ihre Saison 2021. Sie unterstreicht damit erneut ihre extreme Dominanz sowie ihre äusserst beeindruckende Konstanz. Obwohl auch bei ihr manchmal nicht alles nach Plan läuft, hat sie seit 2012 bei den Damen jedes Ultracycling-Rennen gewonnen, zu dem sie gestartet ist und konnte die Siegesserie trotz Sturz in Italien fortsetzen. Damit ist sie seit unglaublichen 10 Saisons ungeschlagen und innerhalb der Damenszene eine absolute Klasse für sich. Dass sie über so viele Jahre hinweg keinen einzigen Wettkampf hat aufgeben müssen – es waren 19 an der Zahl, etliche davon sehr namhaft – ist ebenfalls eine Auszeichnung, die in der Ultracycling-Szene ihresgleichen sucht.
Plan 2022: Zum dritten Mal am Race Across America Geschichte schreiben
Die Teilnahme am Adriatic Cycling Marathon war auch diesmal ein eher kurzfristiger Entscheid. Denn eigentlich wäre Nicole Reist Mitte Juni 2021 zum dritten Mal am Race Across America gestartet – dem härtesten Nonstop-Ultracycling-Rennen der Welt über 5000 Kilometer und 50'000 Höhenmeter von der amerikanischen West- an die Ostküste. Sie wollte da nach ihren Siegen 2016 und 2018 erneut Geschichte schreiben. Doch der Traum platzte wenige Tage vor der Abreise: Der Schweizer Spitzenathletin und ihrem Team wurde aufgrund von Corona-Regelungen kurzfristig die Einreise in die USA verweigert. Damit fiel Nicole Reists dritte Teilnahme am Race Across America schon zum zweiten Mal Corona zum Opfer. Ganz nach dem Motto «aller guter Dinge sind drei» steht Reist’s Plan für 2022 deshalb fest: Endlich zum dritten Mal das Race Across America fahren und zum dritten Mal Geschichte schreiben. Sie will erneut gewinnen, dabei ihre eigene Zeit von 2018 unterbieten – und, wenn alles optimal läuft, auch noch einen schon sehr lange bestehenden, internationalen Rekord angreifen. Wir dürfen also schon heute gespannt sein auf Nicole Reists Leistung im kommenden Juni.
Über Nicole Reist
Die 36-jährige Nicole Reist ist passionierte Ultracyclerin, also Langdistanz-Radrennfahrerin, und lebt in Weisslingen, nahe Winterthur. Sie ist mehrfache Weltmeisterin, Europameisterin und Schweizermeisterin und hat seit 2012 jedes
Jahr mindestens ein namhaftes Ultracycling-Rennen über mehrere Tausend Kilometer nonstop gewonnen – unter anderem schon zweimal das legendäre Race
Across America, das härteste Radrennen der Welt, über fast 5000 Kilometer von der amerikanischen West- an die Ostküste. Dieses Jahr
wollte sie das Rennen erneut fahren, um wiederum Geschichte schreiben. Die Einreise wurde ihr und ihrem Team
wegen Corona allerdings kurzfristig verweigert. Stattdessen hat sie Mitte August das Race Around Austria über 2200 Kilometer in neuer Rekordzeit
gewonnen und ist am 17. September 2021 am Adriatic Marathon über 1200 Kilometer gestartet. Trotz ihres umfangreichen Trainingspensums arbeitet sie
Vollzeit als Hochbautechnikerin in einem Architekturbüro. www.nicolereist.ch
Über den Adriatic Cycling Marathon
Der Adriatic Cycling Marathon ist ein Nonstop-Ultra-Radrennen in Italien und fand vom 17. bis 19. September 2021 zum vierten Mal statt. Die Strecke führte über 1200 Kilometer und 7000 Höhenmeter,
von Francavilla al Mare bei Pescara entlang der adriatischen Küste, via Bari rund um den Stiefelabsatz Italiens und zurück. Die Schweizerin Nicole Reist startete zum zweiten Mal am Adriatic
Marathon und fuhr in der Kategorie Solo. 2020 hatte sie mit 43 Stunden und 40 Minuten in diesem Rennen den historischen Overallsieg als Frau geholt und den Overall-Streckenrekord aufgestellt.
www.adriaticmarathon.com