Welche Chancen hat Radprofi Eva Lechner bei Olympia? Alles ist möglich, sagt Adrian "Adi" Telser. Er muss es wissen, hat er doch als Teammechaniker fast zehn Jahre lang für Italiens beste Mountainbikerin gearbeitet. Einst selbst erfolgreicher Radamateur führt er heute ein Bike- und Sportgeschäft in Schlanders (Vinschgau/Südtirol). Er hat die Coronakrise genutzt, um seinen Shop zu erweitern und äußert sich im Interview zum aktuellen Rad-Boom, gibt Tipps für Hobbyradler und verweist auf die einzigartige Profikarriere von Eva Lechner.
VeloTotal: In Coronazeiten hat das Fahrrad einen regelrechten Boom erlebt. Wie hat sich die Situation für die Händler vor Ort verändert?
Adi Telser: Der Drang an Bewegung ist weltweit größer geworden und damit auch die Nachfrage nach Fahrrädern. Das ist natürlich positiv. Unsere Lagerbestände sind leer. Allerdings
bekommen wir derzeit kaum genügend Nachschub von den Produzenten. Diesen fehlen oft die Zulieferer. Für einen Zahnkranz wartet man derzeit über 70 Wochen. Das gab es vor Corona nicht. Die
Fahrradhändler gehören sicher zu den Gewinnern, allerdings werden derzeit auch weniger Räder geliefert.
VeloTotal: Und wohin geht der Trend?
Adi Telser: Der Trend geht inzwischen eindeutig zum E-Bike. Das heißt, 80 Prozent der Kunden fragen nach einem E-Bike. Obwohl mein Herz persönlich für das natürliche hochwertige
Rennrad oder Mountainbike schlägt, ist dieser Trend positiv, da sich viele Menschen durch den Elektroantrieb nicht überanstrengen. Damit wird ein gesundes Radfahren ohne großes Training für viele
möglich.
VeloTotal: Und was rät der Profi dem Hobbyfahrer?
Adi Telser: Wichtig ist immer die Sitzposition, egal ob ich mich für ein günstiges oder hochwertiges Rad entscheide. Darauf gilt es zu achten. Dazu kommen die Ausrüstung, ein
Helm für die Sicherheit und Klickpedale für einen gesunden Tritt. Insgesamt ist Weniger mehr, also nicht übertreiben.
VeloTotal: Du warst selbst erfolgreicher Radamateur und am Sprung zum Profi. Was hat Dich davon abgehalten?
Adi Telser: Nicht das Talent, haben mir die Trainer bescheinigt. Mehr der Kopf, denn damals wäre es kaum möglich gewesen, ohne leistungssteigernde Substanzen weiter zu kommen.
Alle Siege hatte ich bis dahin mit Wasser und Brot geschafft. Als ich merkte, das geht nicht mehr, habe ich auf eine weitere Karriere verzichtet.
VeloTotal: Verfolgst Du heute noch die Profiszene?
Adi Telser: Auf jeden Fall. Ich kenne zwar nicht mehr alle Namen, aber wenn es im Fernsehen Richtung Zielsprint geht, schlägt auch mein Puls höher. Irgendwie hat man das
Radfahren immer im Blut, wenn man so verrückt ist wie ich. Ich freue mich auch über die Erfolge der italienischen Profis oder von Peter Sagan, der wie unser Gerhard Kerschbaumer auf Rädern fährt,
die ich im Shop vertreibe und natürlich über Eva Lechner.
VeloTotal: Apropos Eva Lechner. Was traust Du ihr bei Olympia (Anm. d. Red.: 27. Juli, 8 Uhr MEZ) zu?
Adi Telser: Eva ist ein verrücktes Huhn. Alles ist möglich, das hat sie im letzten Jahr mit 35 Jahren bei der WM bewiesen, als sie Vizeweltmeisterin wurde. Noch nie war sie so
locker drauf wie in diesem Jahr. Dabei ist es ihre vierte Teilnahme bei Olympia. Auch finde ich, dass sie nun mit einem Fully genau das richtige Bike hat, um erfolgreich zu sein.
VeloTotal: Die Familie Telser ist eine Radsportfamilie. Dein Bruder Edmund ist Nationaltrainer der Schweizer Frauen, deine Schwester Renate war Weltmeisterin der Gehörlosen.
Wie geht es den beiden?
Adi Telser: Edi hat seinen Traumjob gefunden. Wenn wir uns treffen, reden wir natürlich immer übers Rad. Und wir helfen uns gegenseitig mit Tipps aus, er zu Training, ich zur
Technik. Renate hat ein schweres Schicksal. Ihr kleines Kind wartet auf eine Spenderniere. Aber sie ist eine Kämpfernatur und denkt nie ans Aufgeben. Das war schon im Sport so. Wirklich Hut
ab.
VeloTotal: Danke für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Josef Bernhart für VeloTotal.