Die Verbände der Fahrradwirtschaft und der ADFC fordern für das Fahrrad eine konsequente Umsetzung der Verkehrswende in der nächsten Legislaturperiode. Basierend auf drei Grundannahmen machen der Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF), der Verbund Service und Fahrrad (VSF) und der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) - gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V. (ADFC) - auf die Dringlichkeit einer fahrradfreundlichen Verkehrs- und Klimawende aufmerksam:
- Das Fahrrad ist ein erschwingliches, zuverlässiges, sauberes, gesundheitsförderndes und stauvermeidendes Verkehrsmittel. Die Fahrradwirtschaft ist ein dynamisch wachsendes Marktsegment mit entsprechender Wertschöpfung.
- Das Fahrrad hat sich in der Pandemie als verlässlicher Alltagsbegleiter flächendeckend bewährt. Der Anstieg der Fahrradnutzung, der Fahrradverkäufe und die Zunahme an Arbeitsplätzen in der Fahrradbranche belegen die positive Dynamik und die Veränderung im Bewusstsein der Bevölkerung. Durch das E-Fahrrad wird sich diese positive Entwicklung in den nächsten Jahren konsequent verstetigen, zumal größere Distanzen im Pendlerverkehr nicht mehr alternativlos sein werden.
- Das Fahrrad und seine Nutzer*innen brauchen umso mehr eine sichere, leistungs- und bedarfsgerechte Infrastruktur und eine Politik, die dem Fahrrad den gerechten Stellenwert beimisst. So brauchen Städte und Gemeinden sichere, lückenlose Netze aus Radwegen, bestehend vor allen Dingen aus “Protected Bike Lanes”, die physisch vom Autoverkehr getrennt sind, sowie gut gestalteten Fahrradstraßen und Radschnellwege. Denn Verkehrssicherheit ist eine zentrale Entscheidungsgröße für die Nutzung des Fahrrads. Das Fahrrad braucht verbindliche Zielsetzungen und konkrete Umsetzungsmaßnahmen, initiiert und gefördert durch den Bund.
1. Verkehrspolitische Forderungen
Wir fordern konkrete Zielsetzungen und Maßnahmen der Bundesregierung, damit sich der Radverkehrsanteil am Modal-Split bis 2025 auf 20% und bis 2030 auf 30% erhöht! Dies ist ein entscheidender
Hebel für die Verkehrswende und zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor. Der Bund ist aufgefordert, die entsprechenden rechtlichen, finanziellen, personellen und organisatorischen
Ressourcen und Rahmenbedingungen zu schaffen. Dafür braucht es einen Aktionsplan zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans mit konkreten Maßnahmen und messbaren Zielen.
- Ein neues Straßenverkehrsgesetz
Leitgedanke der Schaffung eines sicheren und fehlerverzeihenden Mobilitätssystems muss die Vision Zero sein und damit eine explizite Abkehr von der bisher dominierenden Stellung des fließenden KFZ-Verkehrs und der reinen Gefahrenabwehr. Das der StVO übergeordnete Straßenverkehrsgesetz (StVG) muss daher völlig neu aufgesetzt werden. Es ist einseitig auf die Bedürfnisse des Kfz-Verkehrs ausgerichtet und verhindert lebenswerte Städte und Gemeinden. Im Straßenverkehrsgesetz müssen u. a. die Vision Zero sowie Klima-, Umweltschutz- und Gesundheitsziele verankert werden.
- Eine Reform der StVO und der Regelwerke
Gleichzeitig müssen die StVO und die Verwaltungsvorschrift angepasst werden – und beispielsweise jeglicher Begründungszwang für die Einrichtung von Radverkehrsanlagen wegfallen und Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit eingeführt werden. Richtlinien und Regelwerke, wie die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA), müssen ebenfalls angepasst werden.
- Handlungsspielräume für Kommunen
Eine Reform des StVG impliziert auch eine Ausrichtung an den Erfordernissen einer nachhaltigen Stadt- und Siedlungspolitik. In der Folge führt dies zu einer Erweiterung der Handlungsspielräume für Kommunen, insbesondere bei der Flächenumverteilung, der Anordnung von Fahrradinfrastrukturen, den Fahr- und Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie der Parkraumbewirtschaftung.
- Planungssicherheit bei der Finanzierung für Kommunen und Bundesländer
Der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Die bisherige Förder- und Finanzierungssystematik führt nicht zum Ziel, eine gesetzliche Regelfinanzierung im Bundeshaushalt ist notwendig. Der Bund muss daher verbindlich bis 2030 umfangreiche Mittel für den Radverkehr zur Verfügung stellen. Zudem erhöht eine langfristig orientierte und integrale Förderpolitik des Bundes gegenüber Ländern und Kommunen die dringend erforderliche Planungssicherheit.
- Verkehrswende auch im ländlichen Raum mitdenken
Die Verkehrswende darf nicht am Stadtrand aufhören. Bei der strukturellen Förderung der Radinfrastruktur sind alle Motive des Radfahrens wie Alltagsmobilität, Naherholung und Tourismus zu berücksichtigen. Beim prognostizierten Wachstum der Radnutzung sind in naturnahen Räumen sichere, nachhaltig gebaute Wege mit natürlicher Oberfläche zu fördern, die Flächenversiegelung verhindern und Bio-Diversität begünstigen, z. B. durch die Nutzung von landwirtschaftlichen Wegen für den Radverkehr
2. Wirtschaftspolitische Forderungen pro Fahrrad
Wir fordern ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zum Fahrrad, eine Abkehr von der auto-zentrierten Förder- und Wirtschaftspolitik sowie eine deutliche Stärkung des Fahrradstandortes
Deutschland!
Im Detail bedeutet das:
- Eine Förderung der Nutzung nachhaltiger Mobilitätsformen und damit implizit eine Besserstellung des Umweltverbundes durch eine Umstiegsprämie, die den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsträger gezielt fördert.
- Eine Wirtschaftspolitik, die dem Wirtschaftsfaktor Fahrrad gebührend Rechnung trägt (knapp 300.000 Beschäftigte, stetig wachsende Wertschöpfung).
- Eine Unterstützung beim gezielten Aufbau von Produktionskapazitäten und sicheren Lieferketten-strukturen in Deutschland/EU.
- Eine flächendeckende Öffnung des Tarifvertrages Öffentlicher Dienst Bund für das Dienstradleasing, sowie eine Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes, um auch Bundesbediensteten die Nutzung von Dienstfahrrädern zu ermöglichen. Der Bund hat hierbei eine Vorbildfunktion im Sinne eines nachhaltigen Mobilitätsmanagements.
- Den Einstieg in eine gerechte E-Mobilitätsförderung, u.a. durch die Ausweitung und Verstetigung der Bundesförderprogramme für Schwerlasträder auf Cargobikes für die private Nutzung und den Leasing-Bereich. Dabei sollten auch Fahrradanhänger, als umweltfreundliche Form des Personen- und Gütertransports in Förderprogrammen, berücksichtigt werden.
- Den Ausbau der digitalen Infrastruktur als wesentliche Rahmenbedingung für einen attraktiven Wirtschaftsstandort. Die digitale Vernetzung bietet auch für den Verkehrsträger Fahrrad ein großes Potenzial. Hierzu gehört auch der Aufbau der Infrastruktur für „Mobility as a Service“ und einer nutzerorientierten Konnektivität, einschließlich Fahrradverleihsystemen.
- Die Erhöhung der Attraktivität des Berufsfeldes „Fahrrad" durch gezielte Informationskampagnen und gemeinsame Initiativen. Maßnahmen gegen Fachkräftemangel müssen auch dem wachsen-den Wirtschaftssegment Fahrrad Rechnung tragen.
Wasilis von Rauch, Geschäftsführer BVZF: „Die nächste Bundesregierung muss liefern. Die überfällige Verkehrswende braucht keine weiteren Lippenbekenntnisse. Das Drehbuch zur
Verkehrswende ist geschrieben, wir erwarten nunmehr einen kraft - und effektvollen Auftritt der Protagonisten in der nächsten Bundesregierung. Und frischen Rückenwind für das Fahrrad und die
Mobilität in Deutschland.“
Uwe Wöll, Geschäftsführer VSF: „Die nächste Bundesregierung muss die Verkehrswende endlich umsetzen. Das Klima hat keine Zeit für weitere Legislaturen der Zögerlichkeit. Für
den echten Umschwung müssen sich Radfahrende aber sicher fühlen: Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, ein lückenloses Radwegenetz sowie sichere Abstellanlagen, auch für Cargobikes, sind
wichtige Bausteine auf dem Weg zu einer echten Verkehrs- und Klimawende.“
Burkhard Stork, Geschäftsführer ZIV: „Der Anfang ist gemacht. Politik für das Fahrrad hat in den letzten Jahren begonnen. Aber nach der Bundestagswahl muss die neue Regierung
richtig loslegen und mit Geld, einem bessren Rechtsrahmen, besseren technischen Regelungen und vor allem mit Mut und Phantasie die wichtigste Alternative zum Dauer-Auto kräftig
fördern!“
Ralf Puslat, Bundesvorstand Industrie ADFC: „Fahrrad und E-Bike haben in der Pandemie einen nie geahnten Boom erlebt und sich weltweit als begehrte Verkehrsmittel der Stunde
etabliert und gelten zu Recht als Schlüssel zur Verkehrswende und zur Bewältigung der Klimakrise. Gleichzeitig herrschen für Radfahrende auf den Straßen aber weiterhin beängstigende Verhältnisse
– und die Bundesregierung fördert weiter im großen Stil das Autofahren. Diese Unwucht kann Deutschland sich nicht mehr leisten! Wir fordern von der nächsten Koalition ein klares Bekenntnis zum
Fahrrad und eine beherzte Abkehr von der autozentrierten Förder- und Wirtschaftspolitik. Deutschland kann nur ein Fahrradland werden, wenn das Auto nicht mehr künstlich aufgepäppelt wird.“
Zum BVZF: Der Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF) ist ein Zusammenschluss dynamischer und innovativer Unternehmen aller Bereiche der
Fahrradwirtschaft: Dienstleister, Hersteller, Start-ups der Digitalisierung, Händler und Zulieferer. Der Schwerpunkt liegt im Bereich der Dienstleistungen. Als neue und etablierte Unternehmen in
einem stark wachsenden und sich stetig verändernden Markt haben alle ein gemeinsames Ziel: die nachhaltige Mobilitätswende.
Mehr unter: https://zukunft-fahrrad.org/
Zum VSF: Der VSF ist ein unabhängiger Fachverband der Fahrradbranche, der mehr als 300 Händler, Hersteller und Dienstleister vertritt. Er
steht für einen hohen Qualitätsanspruch, Nachhaltigkeit, Fairness und Verlässlichkeit. Seine Kernkompetenzen liegen in der Vernetzung der Branche und in der Zusammenarbeit mit der Politik. Der
VSF entwickelt innovative Konzepte für den unternehmerischen Erfolg seiner Mitglieder und engagiert sich leidenschaftlich für einen wachsenden Radverkehrsanteil. Seine Mitglieder und Partner
schätzen die intensive Zusammenarbeit und das starke Gemeinschaftsgefühl. Mehr unter: www.vsf.de
Zum ZIV: Der Zweirad-Industrie-Verband ist nationale Interessenvertretung und Dienstleister der deutschen und internationalen Fahrrad-,
E-Bike-, Komponenten- und Zubehörindustrie. Als Branchenverband vertritt er rund 100 Mitgliedsunternehmen gegenüber Gesetzgeber, Regierung, Behörden, Medien, Institutionen und Organisationen.
Mehr unter: www.ziv-zweirad.de/
Zum ADFC: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit über 200.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung der
Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik und Tourismus. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und
internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Mehr unter: www.adfc.de