Zuhause bei Barbara Benko – Barbara „Barbi“ Benko fährt seit 2018 für das GHOST Factory Racing Team. Die 30-fache Ungarische Meisterin in diversen Raddisziplinen kommt aus einer sehr sportlichen Familie.
Ihre Mutter ist Physiotherapeutin und ihr Vater, ein ehemaliger Spitzenläufer, besitzt heute zwei Fahrradläden und trainiert die Nachwuchs MTB-Nationalmannschaft. Das vergangene Jahr war für Barbi kein einfaches: Sie spürte einen inneren Widerstand und bemerkte, dass ihr Körper sich gegen das Training und die harten Renneinsätze wehrte.
Die Heimatstadt von Barbara Benko (30) liegt etwa eine Autostunde von Ungarns Hauptstadt Budapest entfernt. Das Leben hier steht im harten Kontrast zu ihrem sonstigen Alltag als Weltcup-Fahrerin. Hier geht es nicht um Rennergebnisse, Likes oder Reichweite in sozialen Medien. Das Leben ist durch die örtliche Gemeinschaft, die Fürsorge untereinander und die einfachen Freuden des Lebens geprägt. An diesem Ort kann Barbi abschalten und neue Energie tanken. Dieses Jahr war das häufiger nötig als in den Jahren zuvor.
Barbis erste große Leidenschaft war das Schwimmen. Bereits als Baby liebte sie es, im Wasser zu sein. Doch als Teenager suchte sie eine neue Herausforderung. Ihr Vater Laszlo kann sich noch genau an ihre Worte erinnern: „Ich kann das Schwimmbecken nicht mehr sehen. Die sind alle gleich. Ich will Mountainbike fahren.“
Als begeisterter Radfahrer begann Laszlo, seine Tochter beim Mountainbiken zu unterstützen. Dank der Förderung ihrer Eltern, die sie nie nach ihren Ergebnissen beurteilten, brachte es Barbi dorthin, wo sie heute ist: eine Mountainbike-Profisportlerin und Olympionikin, die kurz vor der Teilnahme an ihren zweiten Olympischen Spielen in Tokio 2021 steht.
Barbi kann sich noch gut erinnern: „Ich war ungefähr 10 oder 11 Jahre alt und hatte immer nur ein Ziel vor Augen – ich wollte meine Konkurrenz auf der Strecke in Grund und Boden fahren. Und jedes Jahr wurde ich besser. Aber ich hatte nie das „perfekte Rennen“. Es waren immer irgendwelche Gedanken in meinem Kopf. Was passiert morgen, was ist mit dem Rennen oder diesem harten Training. Du kannst nicht alles tun, was du eigentlich willst und trotzdem machst du immer weiter.“
Das Zitat verdeutlicht Barbaras Mentalität, die sie noch heute immer weiter antreibt. 2019 kam dann der Zusammenbruch. Sie hatte mentale sowie physische Probleme, fuhr ihren eigenen Erwartungen hinterher und konnte einfach nicht die Ursache dafür finden. Ausgebrannt und übertrainiert warf ihr Körper schließlich das Handtuch. Mitten in der Saison 2019 verhängte das Team ein Rennverbot gegen sie und nahm ihr sogar die Bikes ab, da sie ansonsten heimlich trainiert hätte.
Barbara: „Ich stand in der Feedzone und reichte den anderen Mädels die Trinkflaschen. Es war genau das Richtige für mich. Das Training fühlt sich jetzt wieder ganz anders an.“
Mehr als jemals zuvor rückte Barbis Heimatort ihr Leben in die richtige Perspektive. Hier kann sie abschalten, mit ihrer Familie reden und das gemeinsame Leben genießen. Kein Radfahren, sondern die Rückkehr zu den kleinen Dingen. Ein Leben mit menschlicher Perspektive – hier geht es nicht um Social Media oder Likes. Ein einfaches Leben, dass sehr erfüllend ist.
Barbara: „In den letzten zwei Jahren habe ich gelernt, worauf es wirklich ankommt. Es ist ein Privileg, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Ich möchte so gut sein wie nur irgend möglich, und ich will die beste Sportlerin sein, die ich sein kann. Aber ob ich gewinne oder verliere – am Abend geht die Sonne unter und am nächsten Tag wieder auf. Ich muss auch die kleinen Siege feiern können, genau wie die kleinen Dinge im Leben.“
Homestory/Fotos: Anne Terpstra/Andreas Dobslaff