Im April 2019 starteten Nico, Julian und Felix mit ihrem Projekt „Without a plan to Japan“ in ein ca. 20.000 Kilometer langes Radabenteuer. Wenn schon ohne Plan, braucht es dafür die umso passenderen Vehikel. Denn schon kleinste Details können darüber entscheiden, ob die große Tour gelingt. Der pressedienst‐fahrrad hat die drei Abenteurer zum Custom‐made‐Anbieter Velotraum begleitet, wo ihre Wunschräder mit Pinion-Zentralgetriebe entstanden.
Mit Vorfreude, aber auch ein bisschen Skepsis stehen Nico, Julian und Felix vor dem Firmengelände von Velotraum. Dieser graue Samstagvormittag im November ist für sie der Startschuss in ein großes Abenteuer. Die drei Reiseradler, die sich für ihr Team den Namen „Pasta‐Gorillas“ gegeben haben, wollen ab Ende April 2019 von München bis nach Tokio fahren. Das Ziel: Die Eröffnung der Olympischen Spiele im August 2020. Eineinhalb Jahre auf dem Rad, übernachten wollen sie fast ausschließlich im Zelt. Das Motto der Reise: Without a plan to Japan. Für Nico und Julian ist es bereits der zweite große Trip. Die beiden Brüder fuhren mit einem weiteren Freund 2015/16 als „Trio for Rio“ von München nach Rio de Janeiro, ebenfalls zu den Olympischen Spielen. „Nach unserer ersten Reise hätte ich nie gedacht, dass wir noch einmal ein zweites Abenteuer in Angriff nehmen. Aber wir wollen einfach raus aus dem Alltag und uns draußen bewegen“, erklärt Julian das neue Projekt, das an diesem Novembertag in Weil der Stadt seinen Anfang hat.
Vermessung gegen taube Füße
Bevor es nämlich richtig losgeht, brauchen die Abenteurer das passende Fahrrad. „Wir sitzen jeden Tag über mehrere Stunden im Sattel. Da wollen wir keine eingeschlafenen Füße oder taube Finger. Das Rad muss zu jedem von uns passen“, erklärt Nico. Ihre erste Tour haben sie noch auf Rädern „von der Stange“ zurückgelegt – und ein paar Probleme gehabt. „Wenn man mit einer Fehlhaltung auf dem Fahrrad sitzt, ist das gesundheitsgefährdend und nach langen Touren können Fehlbelastungen auftreten. Wir wollen nicht, dass wir unsere Tour aufgrund von eigentlich banalen Sachen wie einem falsch eingestellten Fahrrad abbrechen müssen“, meint Julian. Deshalb haben sie Kontakt zu Stefan Stiener aufgenommen. Der Geschäftsführer von Velotraum ist selbst seit vielen Jahren Reiseradler und hat sich auf Custom‐made‐Räder mit individueller Einstellungen spezialisiert. Da die drei aus derselben Region kommen, war die Idee, auf Velotraum‐Räder zu setzen, schon lange in ihren Köpfen. „Umso schöner ist es, dass es nun auch klappt“, freut sich Nico. Jetzt steht also zum ersten Mal eine professionelle ergonomische Vermessung mit individuellem Radaufbau an.
Von groß bis klein
Als Stiener die drei Reiseradler begrüßt, kann er ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken. „Da muss ich wohl mein ganzes Repertoire aufbieten“, sagt der Ergonomie‐Fachmann. Denn unterschiedlicher könnten die drei Radfahrer kaum sein: Nico misst stolze 1,90, Julian 1,77 und Felix 1,62 Meter. „Von lang über Durchschnitt bis stämmig haben wir alles dabei“, freut sich Stiener auf die kommenden Stunden intensiver Ergonomie‐ und Fahrradberatung. Bevor es richtig losgeht, erklärt der Fachmann den drei Reiseradlern, was eine richtige Ergonomie ausmacht und herkömmliche Messmethoden wie Schrittlänge und Körpergrößen lediglich eine Notlösung seien. „Die Mehrzahl der Radfahrer beklagt Rücken‐, Hand‐, Knie‐ oder Sitzbeschwerden – gerade bei längeren Strecken im Sattel. Diese Probleme sind auf ein falsch eingestelltes Rad zurückzuführen“, begründet er. Die individuell richtige Sitzposition bzw. Haltung auf dem Fahrrad sei eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, da es wenig greifbare unabhängige Forschung und kaum belastbare Fakten zu diesem Thema gäbe. Deshalb ist Stiener auch überzeugt, dass „mindestens 70 Prozent der Radfahrer falsch auf dem Rad sitzen“. Verhindern könne man dies am besten durch einen individuellen Radaufbau auf Basis einer Vermessung.
Am Anfang steht das Ergometer
„Den sehr komplexen Vorgang beim Pedalieren kann man am besten am sogenannten Ergonomischen Dreieck visualisieren“, fährt Stiener fort. Dieses Dreieck zwischen Sattel, Lenker und Tretlager definiert die individuell passende Sitzposition. Diese lasse sich auf so gut wie jedes Velotraum‐Rad übertragen. Zwar sei jeder Radfahrer anders, aber anhand stimmender Proportionen und Winkel findet sich für jeden ein passendes Rad. So hat Stiener bereits einen Fundus von rund 20.000 unterschiedlichen Sitzpositionen in seiner Datenbank gesammelt und kann darauf nicht nur bei der Beratung, sondern auch bei Weiterentwicklung von Rahmenmodellen, Rahmengeometrien und der Komponentenauswahl zurückgreifen.
Also bittet er die drei jungen Radfahrer zur Messstation. Dabei handelt es sich um eine Art Ergometer, auf dem jeder der drei seine – aus seiner Sicht – perfekte Sitzposition einnehmen darf. Aber mit lediglich draufsetzen oder einer Vermessung mit Laser, wie von anderen Messsystemen bekannt, ist es hier nicht getan. Aktives Mitmachen ist gefordert. Während des Probepedalierens löchert Stiener die einzelnen Fahrer mit Fragen und nimmt entsprechend den Antworten unterschiedliche Einstellungen an Lenker, Sattel oder Pedal vor. „Wichtig ist in erster Linie das Vertrauen. Wenn ich eine Haltung empfehle, kann sich diese im ersten Moment unangenehm und ungewohnt anfühlen“, erklärt Stiener den Reisefahrern.
Ergonomie startet im Kopf
In einem Spiegel können sich die Jungs beim Radfahren beobachten, was für alle ungewöhnlich ist. „Ich fühle mich etwas fehl am Platz“, scherzt Nico. Felix ist erstaunt, wie sehr sich seine gewohnte Sitzposition von der empfohlenen unterscheidet: „Man liest zwar viel über ergonomisch korrektes Radfahren, führt aber viele Änderungen nach subjektivem Gefühl durch. Jetzt von einem Fachmann die richtige Einstellung zu bekommen, ist doch etwas anderes.“ Auch für Stiener ist der „quadratische Typ“ eine Herausforderung, da er dazu neigt, einen Rundrücken zu machen und die gestreckte Haltung zu verlassen. „Speziell, wenn ich länger unterwegs bin, nehme ich gerne die gewohnte Körperhaltung wieder an. Die neue Einstellung fühlt sich noch fremd an und es fällt mir schwer, die langen Gewohnheiten aufzuheben“, findet Felix. Für die Abenteurer wird schnell klar: Die richtige Einstellung beginnt im Kopf. „Das Fahrrad kann noch so gut eingestellt sein – wenn wir mehrere Stunden im Sattel sitzen, kommt immer mal wieder ein Schlendrian rein. Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen und uns korrigieren“, fasst Julian zusammen. Der Ergonomieexperte nickt.
Für bessere Praxiserfahrungen überträgt Stiener anschließend die ermittelten Werte bei Sitzwinkel und -höhe oder Lenker‐Vorbau‐Abstand auf Testräder, die er vor Ort hat, und lässt die drei ein paar Proberunden auf dem Hof drehen. Manches erscheint ihnen dabei immer noch ungewohnt, aber mittlerweile haben sie das nötige Vertrauen aufgebaut, um den Einstellungen zu glauben. „Es ist ähnlich wie beim Facharzt. Man sagt, was einen schmerzt, und er erklärt, was einem fehlt. Man muss dabei nicht alles verstehen, aber am Ende sind die Schmerzen weg“, scherzt Julian.
Prämisse: Zentralgetriebe
Die passende Ergonomie ist jedoch nur der erste Schritt auf dem Weg zum perfekten Reisebegleiter. Denn der Erfolg einer Reise hängt auch von der richtigen Wahl der Komponenten ab. Den Reiseradlern war bereits klar, dass sie bei der Schaltung auf das Zentralgetriebe von Pinion setzen würden. Wie der Radhersteller sitzt auch der Schaltungsspezialist in Baden‐Württemberg – beide verbindet eine intensive Partnerschaft. „Schon beim ersten Kontakt war klar, dass die Kooperation ganz gut passen würde. Wir sind ein junges, innovatives Unternehmen und waren direkt auf einer Wellenlänge mit dem Trio“, erzählt Andrea Escher von Pinion. „Im Team mit Velotraum haben wir dann das Setup der Räder zusammengestellt.“ Das Pinion‐Team hat bei dem Trio demnach nicht nur mit dem Produkt, sondern auch mit dem Charakter gepunktet. „Man hat sich für uns extra an einem Sonntag Zeit genommen und einen Technik‐Workshop sowie eine Werksführung für uns veranstaltet. Das hat schon für ein gutes Gefühl und prima Vorbereitung gesorgt“, ergänzt Felix.
Antriebstechnik für 30.000 Kilometer
Auf ihrer Reise müssen die Abenteurer für alle Streckeneventualitäten gewappnet sein. „Wir müssen mit heftigsten Anstiegen rechnen und mit üblen Rüttelpisten, mit jedem Wetter bis Eis und Schnee, mit Flussdurchquerungen und Wüstenstaub – das alles setzt dem Material richtig zu. Dass die Schaltung komplett gekapselt ist, erscheint uns dafür ideal. Speziell auch das breite Gangspektrum des Getriebes mit 18 gleichmäßig abgestuften Gängen und die Übersetzungsbandbreite von 636 Prozent haben uns überzeugt“, erklärt Julian. Die für die Schaltung speziell designten Rahmen waren bei Stiener kein Problem – er verbaut sie häufig.
Bei einer Reise wie dieser nach Japan ist aber auch die Dauerhaltbarkeit der Komponenten von zentraler Bedeutung. „Wir waren uns mit Stefan Stiener einig, dass wir in Sachen Antrieb alle Register ziehen müssen und dass darum unser kompletter Pinion‐Antriebsstrang ideal wäre“, so Escher weiter. Neben den Getrieben bietet Pinion nämlich auch aufwendig gelagerte und mit 120 Rastpunkten superfein verzahnte Hinterradnaben, außerdem einen Millimeter breitere „Longlife“-Kettenritzel und -Ketten an, die für genau solche Unternehmungen erdacht wurden. „Ein Carbonriemenantrieb stand auch zur Diskussion und wäre sicherlich denkbar gewesen. Aber wir wollen auf Nummer sicher gehen: Im Falle eines Defekts ist eine Ersatzkette einfach überall zu erhalten“, begründet Nico die Entscheidung. Auch beim Thema Ergonomie kann der Schaltungshersteller zur Abrundung der Räder beitragen: Das Trio wird mit dem neuen Pinion‐Schaltgriff „DS2“ ausgestattet. In enger Zusammenarbeit mit Spezialist Ergon entwickelt, bietet der Griff eine bessere Bedienung bei Nässe und mit Handschuhen.
„Wir freuen uns auf den Langzeittest des Zentralgetriebes – und sind überzeugt, mit dem System die richtige Wahl getroffen zu haben“, sagt Nico.
Grau ist alle Theorie
Bei den weiteren Komponenten wie Griffen, Gepäckträger oder Licht verlassen sie sich auf die Beratung von Fachmann Stiener. „Die Erklärungen und Begründungen machen einfach absolut Sinn. Ich hätte z. B. nicht erwartet, eine gefederte Sattelstütze zu brauchen. Aber bei unserem Einsatzzweck ist das logisch“, meint Julian. Der Experte nimmt sich aber auch Zeit, die persönlichen Erfahrungen mit zu berücksichtigen. „Wir waren sehr unzufrieden mit 28‐Zoll‐Laufrädern, da weltweit kaum Ersatzschläuche zu finden sind. Deshalb wollen wir diesmal 26‐Zoll‐Reifen“, erklärt Nico dem Fachmann. Der hat noch den Tipp parat, auf voluminösere Reifen zu setzen, um auch auf den geplanten Strecken abseits von Hauptstraßen bessere Kontrolle und mehr Pannensicherheit zu haben.
Am Ende steht die schwierigste Entscheidung an: die persönliche Rahmenfarbe. „Wir haben ein mögliches Spektrum von über 200 RAL‐Farben, in denen die Rahmen lackiert werden können“, präsentiert Stiener die Farbmuster. Die Jungs nehmen eine Farbschablone nach der nächsten und versuchen, den passenden Style anhand von Bildern und eigenen Geschmäckern zu finden. „Da ist man dann doch etwas eitel“, meint Nico scherzhaft. Am Ende entscheiden sie sich für die Rahmenfarben Blau, Türkis und Grau.
Nach der Beratung noch warten
Nach vier Stunden mit Beratung, Vermessung und Probefahrt ist es geschafft: Die Daten sind aufgeben und die Räder können produziert werden. „Wir haben in der Regel Lieferzeiten von sechs bis acht Wochen“, meint Stiener. „Ihr könnt dann euer Rad bei uns abholen.“ Die drei Reiseradler sind nach dem Programm etwas geplättet, aber Felix zieht ein positives Resümee: „Die Beratung war super. Wir haben sehr viel Vertrauen in die Arbeit von Stefan und seinem Team und warten jetzt gespannt auf das Ergebnis.“
Im Frühjahr ist es dann soweit, der große Tag ist da. Die Sonne scheint und voller Stolz nehmen die drei Abenteurer ihre Räder in Empfang. Stefan Stiener wirft nochmals einen abschließenden Kontrollblick und nimmt marginale Feinjustage bei der Satteleinstellung vor. „Es ist immer wieder schön zu sehen, dass die Arbeit der Vermessung dann in der Praxis Früchte trägt,“ fasst er zusammen, bevor er sich über ein Lob der Pasta‐Gorillas freuen darf: „Stefan, für uns bist du der Architekt des Fahrradbaus.“ Zeit, das Abenteuer in der Praxis zu beginnen!