„Schadstoffe vermiesen den Fahrspaß“, titelt Stiftung Warentest in einer aktuellen Pressemitteilung zum Test von Kinderlaufrädern. Elf der 15 getesteten Kindergefährte wurden aufgrund von erhöhten Giftstoffbelastungen mit „mangelhaft“ bewertet.
Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad hat hierzu seinen Kommentar verfasst:
Deutschlandweit stürmen bald verängstigte Eltern die Fahrradläden und halten den verdutzten Händlern diese giftigen Mordinstrumente unter die Nase. Kinder auf ein Laufrad zu setzen, wird absolut untragbar sein. Als verantwortungsvolles Elternteil kann man das gar nicht machen. Lieber rein ins Auto und jeden Weg im sicheren SUV zurücklegen. Dann sind die armen Kleinen auch nicht mehr dieser giftigen Dieselluft ausgesetzt. Nebenbei: Laut einer Studie der Universität Heidelberg sind Insassen eines Wagens im Berufsverkehr den giftigen Abgasen beinahe so konzentriert ausgesetzt, als würden sie sich direkt hinter ein Auto mit laufendem Motor stellen. Auf dem Radweg ist die Luftqualität meist besser.
PAKs sind im Alltag überall
Die Kritik der StiWa fußt in erster Linie auf erhöhten Werten an Polyzyklisch Aromatischen Kohlenstoffen (kurz PAK) in Griffen, Sätteln und Reifen, die beim Test festgestellt wurden. Durch Hautkontakt können die Stoffe in den Körper gelangen und gesundheitsschädlich wirken. Sich den PAKs im Alltag zu entziehen, fällt allerdings äußerst schwer. Sie sind überall. Wenn das Laufrad z. B. bereits vor dem Labortest im Straßenverkehr unterwegs war, können die Reifen allein durch die Abgase der Verbrennungsmotoren einen Gehalt an PAK‐haltigen Anhaftungen zeigen, die die Obergrenze überschreiten. Selbst der Hautkontakt durch einen Raucher ist bereits ausreichend, um die Belastung in den gemessenen Größenordnungen zu erhöhen. Darüber erfährt man im Test der StiWa allerdings nichts. Lieber wird auf eine aufmerksamkeitsheischende Überschrift in der Pressemitteilung gesetzt.
Obst und Gemüse ebenfalls belastet
Bei den wesentlichen Kriterien Fahrspaß und Fahrsicherheit konnte kaum etwas beanstandet werden, also wird die Giftstoffkeule rausgeholt und medial kraftvoll geschwungen. Dabei revidieren sich die Tester im Text und schreiben, dass die gefundenen Mengen nicht akut giftig seien. Warum dann diese absichtsvolle Verunsicherung? Eine PAK‐Aufnahme über die Haut spielt in der Regel eine untergeordnete Rolle. Die größte Verunreinigung mit PAKs erfahren Nichtraucher durch Lebensmittel, gerade veganer Kost. Gemüse und Obst können durch die Aufnahme von PAKs durch die Luft, Boden oder Wasser belastet werden. Ergo verbieten wir in Zukunft unseren Kindern einfach das Essen und setzen sie nicht mehr dieser Gefahr aus …
Lasst die Kirche im Dorf
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Produkttests von unabhängigen Instituten sind äußerst wichtig, gerade bei Kinderprodukten. So werden die Herstellerangaben nochmals überprüft und
fehlerhafte Produkte kritisiert. Sie dienen für viele Eltern als Hilfe bei der Kaufentscheidung. Doch die Ergebnisse sollten mit einem gewissen Augenmaß kommentiert und nicht
Sensationsjournalismus zum Auflagesteigern betrieben werden. Gerade beim Thema Giftstoffe entbehren die Messweise und folgenden Ergebnisse mitunter eklatant dem Realitätsbezug. Also, liebe
Eltern: Lasst die Kirche im Dorf und vor allem eure Kinder weiter aufs Laufrad. Davon haben sie mehr als vom hörigen Helikoptern. Wenn ihr trotzdem noch Bedenken habt: Setzt den Nachwuchs nicht
nackt aufs Laufrad und zieht ihm beim Fahren einfach Handschuhe an. So haben die Kinder einen zusätzlichen Schutz gegen Schürfwunden bei Stürzen und kommen nicht in Hautkontakt mit PAK. Am Reifen
wird euer Kind hoffentlich aus anderen Gründen nicht nuckeln.
Thomas Geisler (www.pd-f.de)