Eine Verkehrswende ist nur dann erfolgreich, wenn Platz für den ruhenden Radverkehr geschaffen wird. Damit die Leute Lust aufs Radfahren bekommen, sind moderne Fahrradabstellanlagen besonders wichtig, wie Andreas Hombach, Vertriebsleiter Fahrradparksystem beim Stadtmöblierer WSM, im Interview mit dem pressedienst‐fahrrad betont. Der in Deutschland äußerst beliebte Felgenkneifer hat ausgedient.
pressedienst‐fahrrad: Der ADAC kritisiert aktuell die Bike+Ride-Anlagen in deutschen Großstädten scharf. Haben die Tester recht?
Andreas Hombach: Ich finde es zuerst einmal gut, dass sich der ADAC diesem Thema überhaupt gewidmet hat und sich somit auch mit anderen Verkehrsformen neben dem motorisierten Individualverkehr, kurz MIV, beschäftigt. Es geht bei der Verkehrsplanung um die Verknüpfung verschiedener Mobilitätslösungen – also auch darum, den Blick über den Tellerrand hinauszuwagen! Es ist richtig, dass die Kapazitäten der bisher realisierten Angebote an Fahrradparkplätzen bei weitem nicht ausreichen. Die Herausforderungen werden zukünftig noch größer, da der Radverkehr nach Ansicht aller Experten weiter zunehmen wird.
pd‐f: Was läuft bislang schief?
Hochwertige Fahrräder benötigen hochwertige Abstelllösungen – insbesondere hinsichtlich Witterungs‐, Diebstahl‐ und Vandalismusschutz. Da helfen Fahrradparker alleine nicht mehr aus. Dies gilt insbesondere für die stark ansteigende Zahl von Pedelecs.
pd‐f: Fahrradabstellanlagen klingen eigentlich unbedeutend, warum sind sie für die Verkehrswende dennoch so wichtig?
Die Antwort ist relativ einfach: Wenn ich mein Fahrrad am Zielort nicht sicher im Sinne von Schutz vor Einflüssen von Langfingern und dem Wetter abstellen kann, werde ich es eher zuhause lassen.
Sind Fahrradstädte wie Kopenhagen, Amsterdam oder London auch beim Fahrradparken die Vorbilder?
Aus meiner Sicht, zumindest was Kopenhagen betrifft, ein klares Nein. Dort wird das Thema Fahrradparken eher vernachlässigt. London kann ich nicht beurteilen, ich habe aber den Eindruck, dass hier beim Thema Fahrradinfrastruktur mehr an Radverkehrsverbindungen als an den ruhenden Verkehr gedacht wird. Auch Amsterdam hat noch Nachholbedarf an Fahrradabstellanlagen im öffentlichen Raum.
Warum gelten diese Städte dennoch als Vorreiter für den Radverkehr?
Weil diese Städte erkannt haben, dass die Mobilitätswende nur dann zu schaffen ist, wenn die FahrradfahrerInnen in der Summe einen Vorteil durch die Nutzung des Velos im Alltagsverkehr haben – und die entsprechende Infrastruktur schaffen. Steht man mit dem Bike ebenso an der Ampel wie der Kfz‐Verkehr oder muss eventuell Umwege fahren, um das Ziel zu erreichen, dann steigt der Verkehrsteilnehmer nicht aufs Rad um. Wichtig sind direkte, querungsfreie und somit schnelle Radwege mit einer ausreichenden Breite.
Was sagt es über die Radfreundlichkeit einer Stadt oder eines Unternehmens aus, wenn mal wieder öffentlichkeitswirksam ein neuer „Felgenklemmer“ eingeweiht wird?
Zum einen drückt eine solche Entscheidung zur Anschaffung dieser Felgenklemmer oder -quetscher eine fehlende Wertschätzung für das Thema Radverkehr aus. Zum anderen ist es aber auch oft „nur“ Gedankenlosigkeit – schließlich bekommen die zuständigen Sachbearbeiter häufig die „einfache“ Aufgabe, Fahrradparker zu besorgen. Und die Felgenklemmer sind von der Bezeichnung her genauso eine Fahrradabstellanlage wie ein hochwertiges Anlehnsystem. Hinzu kommt die angespannte Haushaltslage der Kommunen – es macht für die verantwortliche Person einen Unterschied, ob sie einen Einstellplatz für 25 Euro oder für 50 Euro bezieht. Fakt: Ist der Entscheider selbst Fahrradfahrer, hat dies Einfluss auf die Qualität der Abstellanlage.
Warum sind „Felgenklemmer“ eigentlich unpraktisch?
Auf den ersten Blick sind sie sogar praktisch – schließlich schiebe ich nur mein Vorderrad in den Bügel und schon ist das Fahrrad abgestellt. Wenn ich jetzt aber eine Diebstahlsicherung anbringen möchte, wird es schon schwieriger. Da muss ich mich unter Umständen zwischen mehreren nebeneinander abgestellten Velos zum Boden zwängen, um zumindest das Vorderrad mit dem Bügel verbinden zu können. Dies ist dann übrigens auch häufig das Einzige, was später vom Fahrrad noch übrig ist … Über den Rest freut sich jemand anderes. Eine weitere Herausforderung ergibt sich bei den unterschiedlichen Fahrradtypen und Reifenbreiten – in einen Felgenklemmer passt oft weder ein grobstolliger MTB‐Reifen noch steht dort ein Rennrad stabil. Lastenräder müssen sich auch einen anderen Parkplatz suchen.
Wie sollten die perfekten Fahrradparkmöglichkeiten in einer Stadt aussehen und wie verändert sich dadurch das Stadtbild und viel wichtiger das Leben in der Stadt?
Das ist eine Art Dreiklang: Wichtig sind Funktionalität und Qualität, aber auch das Design. Die perfekte Fahrradparkmöglichkeit bietet Raum für alle Fahrradtypen sowie Witterungs‐, Diebstahl‐ und Vandalismusschutz. Zusätzlich sollte sie aber auch das Stadtbild nicht negativ beeinflussen oder andere Verkehrsteilnehmer behindern. Der richtige Standort ist genauso wichtig wie eine langlebige Konstruktion. Lademöglichkeiten für E‐Bikes sind aus meiner Sicht bei den heutigen Reichweiten zwar kein Muss – aber insbesondere an touristischen Destinationen wünschenswert. Gute Fahrradabstellanlagen werden mehr Bürgerinnen und Bürger aufs Fahrrad bringen und somit die Dichte des MIV verringern – mit allen Vorteilen hinsichtlich einer Reduzierung jeglicher Emissionen und mehr Freiraum für die Menschen.
Jeder Radfahrer kennt wohl das Problem: Übervolle Abstellanlagen vor Bahnhöfen oder Einkaufszentren, die mit alten Rädern vollgestopft sind. Wie können solche Zustände verhindert werden?
Da helfen nur regelmäßige Kontrollen. Steht ein altes oder defektes Fahrrad länger als zwei Wochen unbewegt, ist davon auszugehen, dass es zu einer einseitigen Trennung durch die Besitzerin/den Besitzer gekommen ist. Spätestens jetzt sollte es markiert und der/die Eigentümer/in dadurch informiert werden, dass es in z. B. zehn Tagen durch die Ordnungsbehörden entfernt und gegebenenfalls entsorgt oder verwertet wird.
Warum lohnt sich auch für private Unternehmen die Investition in hochwertige Fahrradabstellanlagen?
Dies kann durchaus ein Kriterium für die Auswahl des Geschäftes sein, in dem ich einkaufe – oder der Gastronomie, in die ich einkehre. Nicht zuletzt entscheidet bei einigen Menschen mittlerweile sogar die Fahrradfreundlichkeit eines Unternehmens die Wahl des Arbeitsplatzes.
Gibt es rechtliche Vorgaben für Kommunen für den Bau von Fahrradabstellanlagen?
Die Stellplatzpflicht ist in jeder Landesbauordnung verankert – im Regelfall bis hin zu der notwendigen Anzahl an Fahrradstellplätzen. In einigen LBOen ist sogar die Beschaffung des Fahrradparksystems genauer definiert. Es gibt aber auch Bundesländer, die es den Kommunen überlassen, hier Regelungen zu schaffen – z. B. über Stellplatzsatzungen.
Wie kann ich persönlich meinen Vermieter überzeugen, sinnvolle Lösungen für das Parken von Fahrrädern zu schaffen?
Abgesehen von der Tatsache, dass auch hier manche Menschen ihren Wohnort von der Möglichkeit der Fahrradunterbringung abhängig machen, hat auch der Vermieter Vorteile von einem geregelten statt wildem Fahrradparken. Im Übrigen gibt es auch hier über die Landesbauordnungen der Bundesländer oder die Stellplatzsatzungen der Kommunen klare Vorgaben.