Eine Federgabel findet sich heute nicht nur am Mountainbike, sondern auch an vielen Fahrrädern für Alltag, Freizeit und Reise. Nur wenige sind allerdings vollgefedert, doch wäre das für den Komfort nicht am besten? Der pressedienst-fahrrad prüft: Was federt am Rad warum und was ist sinnvoll?
Die wichtigste Federung findet man an jedem Fahrrad zweimal: Die Reifen sorgen, je nach Größe und Luftdruck, für die entscheidenden Fahreigenschaften eines Fahrrads bezüglich Komfort und Bodenhaftung. „Es geht dabei vor allem darum, den richtigen Luftdruck für den Reifen und seine Anwendung zu finden“, weiß Doris Klytta vom Hersteller Schwalbe. Je breiter und weicher der Reifen, desto größer die Auflagefläche auf dem Boden und der Komfort. „Wenn der Druck allerdings unters Minimum gerät, wird das Fahren schwammig“, so Klytta weiter. Darum stehen bei Qualitätsreifen Minimum und Maximum auf der Reifenflanke.
„Je größer, also voluminöser der Reifen ist, desto geringer ist der nötige Druck und desto mehr Komfort bietet er. Denn er ‚überrollt‘ kleine Unebenheiten einfach“, verdeutlicht Stefan Stiener vom Reiseradspezialisten Velotraum. Am wartungsarmen Alltags- und Reiserad sind darum sogenannte Ballonreifen recht beliebt, die zwischen zwei und drei Zoll breit sind. So bemerkte kürzlich die Redaktion der Zeitschrift „aktiv Radfahren“, dass immer mehr Hersteller auf die Federung bzw. Dämpfung der Reifen setzen: Die Federgabeldichte im Testfeld der Trekkingräder nimmt 2018 ab. Und selbst beim Rennrad setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass schmale, pralle Reifen nicht ideal für Geschwindigkeit sind. Hier mischen plötzlich Reifen mit knapp 40 Millimetern Breite ganz vorn im Testfeld mit.
Federgabel und Co.
An vielen Trekking- und Tourenrädern werden heute Federgabeln verbaut, meist sind es Teleskopgabeln mit Federwegen zwischen 40 und 80 Millimetern. „Oft reicht der Reifen als Federung aus. Wenn wir Federgabeln verbauen, dann hochwertige und auf das Fahrergewicht abstimmbare Luftfedergabeln. Nur so können sie ihre Aufgabe gut meistern: Komfort bieten, indem sie Unebenheiten am Boden absorbieren und dadurch Belastungsspitzen auf die Handgelenke mindern,“ erklärt Volker Dohrmann vom Fahrradhersteller Stevens. Andererseits wirken sich Federgabeln auf die Fahrsicherheit aus, wie Tobias Erhard, Marketingmann bei Sram/Rockshox, verdeutlicht: „Die Federung hat nicht zuletzt die Aufgabe, den Reifen immer am Boden zu halten, etwa bei Bordsteinen ein- oder bei Schlaglöchern auszufedern.“ So bleibt die Bodenhaftung des Rads gleichmäßig erhalten. Das verkürzt den Bremsweg und kann besonders in Kurven über Sturz oder Weiterfahren entscheiden.
Pflege vs. Komfort
Die Kehrseite an Federgabeln ist allerdings, dass sie mehr Zuwendung bedürfen als Starrgabeln. Sie müssen auf Fahrergewicht und Fahrstil angepasst und ihre interne Schmierung muss in regelmäßigen Intervallen geprüft und gegebenenfalls erneuert werden. Diesen „Gabelservice“ machen nur sehr versierte Hobbyschrauber selbst. „Ein gefedertes Rad muss in jedem Fall häufiger zur Inspektion als ein ungefedertes“, erklärt Sram-Techniker Ulrich Henz. „Wie oft tatsächlich, hängt sehr von der Nutzungshäufigkeit, dem Wetter und der Pflege zwischendurch ab“, sagt Henz. Er empfiehlt, die beweglichen Rohre der Federgabel regelmäßig mit einem weichen Lappen vom Dreck zu befreien und auf den Luftdruck der Gabel zu achten. Vom Schmieren der Gabel mit anderen Mitteln als dem in der Gabel verwendeten Öl rät er dringend ab.
Für manche Anwendungen ist aus Wartungsgründen ein als Elastomer bekannter Kunststoffstoßdämpfer optimal. Riese & Müller verbaut ihn etwa an Vorder- und Hinterrad seines Faltrads „Birdy“ (ab 2.299 Euro) und bietet hier unterschiedliche Härtegrade je nach Fahrergewicht. Auch die kleinen Laufräder des Kinderanhängers profitieren von der Elastomer-Federung, etwa am „Kid plus“ von Croozer (ab 749 Euro). Der niederländische Hersteller Koga verwendet Elastomere in seinen „Feathershock“-Gabeln, die als Starrgabeln mit dem Federelement zwischen Gabelkrone und Steuerrohr ausgeführt sind und 35 Millimeter Federweg bieten. „Neben dem geringen Wartungsbedarf ist ein weiterer Vorteil auch ein vergleichsweise geringes Gewicht“, beschreibt Koga-Mann Harald Troost.
Nachrüsten
Theoretisch lassen sich auch Federgabeln an Fahrrädern nachrüsten. „Ausschlusskriterium ist hier aber oft die Einbauhöhe der Gabeln“, sagt Carsten Schabacher von Stevens, und meint den Abstand zwischen Vorderradachse und unterem Steuerlager. „Denn meistens bauen Federgabeln höher als Starrgabeln und können so die Fahreigenschaften eines Fahrrads massiv verändern“, so Schabacher weiter. Ein Rahmen muss also für Federgabeln konzipiert sein, egal, ob auch eine verbaut ist. Ferner sollte man darauf achten, dass benötigte Montagemöglichkeiten für Bremsen, Schutzbleche und Beleuchtung an der Gabel vorhanden sind. Federungs-Pionier Rockshox etwa bietet für Alltags- und Trekkingräder zwei Ausführungen des Modells „Paragon Gold“ ab 266 Euro an, das über die nötigen Ösen verfügt und das Lichtkabel unter eine Schutzabdeckung führt. Eine eingehende Beratung und auch der Umbau sollten unbedingt im Fachhandel erfolgen.
Ein probater Weg zu höherem Sitzkomfort ist zudem das Nachrüsten einer gefederten Sattelstütze an ungefederten Rahmen. Hersteller Cane Creek aus den USA bietet die Parallelogramm-Federstütze „Thudbuster“ ab 199 Euro mit Federwegen von 33 bzw. 76 Millimetern an. Die Federung übernehmen auch hier Elastomere, die es in fünf Härtegraden zur Abstimmung des Fahrergewichts gibt.
E-Bikes
Bei elektrifizierten Rädern gelten die Argumente pro Federung umso mehr, da Motor, Akku und Peripherie für ein spürbares zusätzliches Gewicht sorgen. „Zwar liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit von E-Bikes nur geringfügig höher als die von unmotorisierten Fahrrädern, doch wächst die kinetische Energie quadratisch zur Geschwindigkeit“, erklärt Anja Knaus vom schweizerischen Hersteller Flyer. Die fahrdynamischen Reserven der Federung sind deshalb hier sinnvoll eingesetzt. Bei der jüngsten Generation der E-Bikes fällt darum nicht ohne Grund auf, dass sie, abgesehen von aktiver Federung, oft mit deutlich breiterer, sogenannter Plus-Bereifung ausgestattet sind (siehe am Flyer „Upstreet 5“, ab 3.199 Euro, am Winora „Yakun“, ab 2.999 Euro, beide mit Federgabel, und am vollgefederten Riese & Müller „Delite“, ab 5.199 Euro).
Liegeräder
Seine ergonomischen Vorteile erreicht das Liegerad durch den großflächigen Kontakt mit dem Fahrzeug, den individuell einstellbare Netz- und Schalensitze bieten. Wer häufiger auf rauem Grund unterwegs ist, für den sei eine Federung sehr ratsam, erklärt Alexander Kraft, Sprecher vom Hersteller HP Velotechnik, „denn man kann ja nicht aus dem Sattel gehen und ein Schlagloch mit den Beinen abfedern.“ Darum bietet der Hersteller das vollgefederte Liege-Trike „Scorpion“ (ab 3.990 Euro) an, bei dem das Hinterrad über einen zentralen Dämpfer gefedert wird und die zwei Vorderräder über Einzelradaufhängungen mit MacPherson-Federbeinen, wie sie beim Automobil üblich sind.
Federung am Kinderrad
„Wenn Kinder mit ihren MTB-begeisterten Eltern ins Gelände wollen, ist eine Federung aus denselben Gründen sinnvoll wie bei den Großen“, beschreibt Vincent Stoyhe vom Bike-Bauer Nicolai und selbst Vater, aus persönlicher Erfahrung. Um aber das Gewicht des gefederten Rades dem geringen Gewicht des Kindes entsprechend niedrig zu halten, muss hochwertige und damit teure Technik ans Rad. So kann das gefederte Kinder-MTB schnell an der 1.000-Euro-Marke kratzen und bleibt darum ein Sportgerät für den leidenschaftlichen Bike-Nachwuchs. Guido Meitler vom Kinderradfabrikanten Puky sieht das pragmatischer: „Ein gut regulierter Reifendruck ist immer noch das mit Abstand universellste Mittel der Federung.“