Es ist seine elfte Saison als Radprofi. Und es ist sein achtes Team. Die Rede ist von Björn Thurau. Radprofi seit 2008. Thurau, der Sohn von? Genau. Björn Thurau, der Sohn von Tour-Legende Dietrich „Didi“ Thurau. Es ist nicht leicht, im Schatten eines prominenten Vaters zu stehen. Das weiß Björn Thurau nur allzu gut. Und er kämpft weiter um seine Persönlichkeit. Als Radprofi, dessen Karriere fast vor dem Ende stand.
Björn Thurau hat schon neben Jan Ullrich gestanden, als dieser die Tour de France gewann. Damals, als bisher einziger Deutscher. Sie nannten ihn „Kaiser“, so wie Beckenbauer. Und Zehntausende jubelten Jan Ullrich zu, nach seinem Sieg bei der Tour 1997. Neben ihm auf dem Balkon des Bonner Rathauses ein Junge mit neun Jahren. Björn Thurau. Sein Vater „Didi“ Thurau hatte es möglich gemacht, dass sein Sohn ganz nah neben dem neuen Idol der Deutschen stehen durfte. Dabei war Dietrich Thurau, den sie alle Didi nennen, selbst Idol der Nation. Genau zwanzig Jahre vor Jan Ullrich fuhr Thurau 15 Tage in Gelb und in die Herzen der Deutschen. Es war sein Rennen, seine Tour, seine erste und erfolgreichste. Fünf Etappensiege, am Ende Rang fünf und bester Jungprofi.
Björn Thurau trat schon früh in die Fußstapfen seines Vaters. Sein Name war Programm und immer mit großen Erwartungen verbunden. Thurau Senior förderte seinen Sohn. Bestes Material, bestes Training und die Tipps vom Vater, dem Tour-Helden, sollten auch aus Thurau-Junior einen ganz Großen machen. Björn Thurau setzte alles auf die Karte Radprofi. Mit 25 Jahren kam er zum österreichischen Elk-Team. Dort blieb er für zwei Jahre. „Eine schöne Zeit,“ erinnert er sich heute, „wir waren wie eine Familie.“ Es folgten zwei Jahre in deutschen Teams, bis der Wechsel zur französischen Europcar-Mannschaft gelang. Von 2012 bis 2014 fuhr Björn Thurau für die Franzosen. Erste Erfolge stellten sich ein, darunter gute Platzierungen beim Giro d’Italia und der Tour de Suisse 2014. Bei der Schweiz-Rundfahrt konnte Thurau sogar die Bergwertung gewinnen. Sein bislang größter Erfolg. Das war auch die Visitenkarte für den Wechsel zum deutschen Bora-Team, das heute mit Weltmeister Peter Sagan in der ersten Liga fährt. Björn Thurau schien endlich dort angekommen, wo große Siege möglich sind. Doch die Zusammenarbeit währte nur kurz, es gab Differenzen. Björn Thurau verließ Bora in Richtung Belgien zu Wanty-Gobert. Doch trotz Motivation fehlten die Erfolge. Die Karriere schien am Ende.
In letzter Minute konnte Björn Thurau 2017 doch noch ein Profiteam finden. Die Mannschaft Cartucho.es aus Kuwait hatte ihm einen Vertrag gegeben. Rennen in Indonesien und China standen auf dem Programm. Björn Thurau wollte sich auch in Europa zeigen. Bei der deutschen Meisterschaft blieb er jedoch unter seinen Erwartungen. Wiederum schien die Karriere gelaufen. Obwohl er bei einigen Rennen durchaus überzeugte. Beispielsweise mit dem neunten Platz bei der Tour de Lombok in Indonesien und einem dritten Gesamtrang bei der Tour of Qinghai Lake in China. Die Teamsuche gestaltete sich schwierig. Verhandlungen mit einem österreichischen Team scheiterten. Björn Thurau überlegte sogar Mountainbikerennen zu fahren. Als allerletzte Hoffnung auf weitere Jahre im Radsport. Dann die Meldung kurz vor Jahreswechsel. Björn Thurau unterschreibt beim britischen Holdsworth Racing Team. Einer Equipe, die nach vierzig Jahren Abstinenz vom bezahlten Radsport ein Revival plant. Und die offizielle Ankündigung des Deutschen spricht Bände: „He is set to be ‚Der Kaiser‘ of the new Holdsworth team . A previous winner of the Mountains jersey in the Tour of Suisse Bjorn Thurau joins Holdsworth team in 2018“. Und da sind sie wieder, die großen Erinnerungen und die großen Erwartungen.
Bericht exklusiv für VeloTotal: Dr. Josef Bernhart