MTB-Weltmeisterschaft in Singen – Erster Rekord: 58 deutsche Racer

FOTOS ©EGO-PROMOTION
FOTOS ©EGO-PROMOTION

Für die  UCI Mountainbike Marathon Weltmeisterschaften in Singen hat die Rekordzahl von 265 Bikerinnen und Biker gemeldet, darunter sind 58 Deutsche. Unter ihnen ist Sabine Spitz, die am Sonntag bei den Damen zu den Favoritinnen gehört. 

 

Bei den Herren ist die Ausgangslage so spannend wie noch nie. Es gibt mehr als eine Handvoll ernsthafte Titelkandidaten.

 

Wenn man vor den 15. Marathon-Weltmeisterschaften der Radsport-Geschichte nach den Favoriten bei den Herren fragt, dann hört das nicht bei einem, zwei oder drei Namen auf, sondern es geht weiter. Der Bronze-Medaillengewinner des Vorjahres, der Tscheche Kristian Hynek von Topeak-Ergon bringt es so auf den Punkt: „Ich glaube, es gibt mindestens zehn Fahrer, die Weltmeister werden können. Auf dieser Strecke haben viele eine Chance und man braucht einfach auch Glück, um dabei zu sein, wenn die richtige Gruppe geht.“

Dass die Palette an potenziellen Weltmeistern so groß ist, liegt einerseits am schnellen Kurs mit seinen vergleichsweise kurzen Anstiegen in der Vulkanlandschaft des Hegau und daran, dass die Fahrzeit auf den zweimal 49 Kilometern bei den Herren vergleichsweise geringe dreieinhalb Stunden beträgt, man das Rennen also auch kaum über die Distanz entscheiden kann.

 

Nicht nur die reinen Marathon-Cracks haben Chancen
Anderseits ist die WM so stark besetzt wie es eine Marathon-Weltmeisterschaft vorher wohl noch nie war. Das klingt erst mal merkwürdig, weil eine WM eigentlich immer mit den Besten der Besten besetzt sein müsste, doch in diesem Fall mischen sich eben noch Spezialisten aus zwei anderen Disziplinen unter die  Marathon-Cracks.

Aus dem Cross-Country-Lager kommen Größen wie London-Olympiasieger Jaroslav Kulhavy, der 2014 schon Marathon-Weltmeister war und 2015 in Singen auch Europameister in dieser Disziplin wurde, aber auch U23-Weltmeister Sam Gaze aus Neuseeland, der im Vorjahr in Singen dem zweifachen Marathon-Weltmeister Alban Lakata Paroli bis zum Zielsprint Paroli geboten hat. Und der sagt: „Die Marathon-WM ist dieses Jahr mein ganz großes Ziel. Ich will Weltmeister werden.“

 Cross-Country-Spezialisten:  Milatz, Fumic, Flückiger,...
Aus der Schweiz sind mit Nicola Rohrbach und Lukas Flückiger zwei etatmäßige Cross-Country-Fahrer am Start, die auch das Zeug haben, vorne mitzumischen.
Dass neben dem Freiburger Moritz Milatz, der 2012 schon Vize-Weltmeister auf der Langdistanz war, auch der Kirchheimer Manuel Fumic seine WM-Premiere auf der Langdistanz feiert, spricht Bände. Er nutzt es als Training und will seinen Cannondale-Teamkollegen Henrique Avancini aus Brasilien unterstützen. Den hält er für einen Medaillenkandidaten. „Ich habe keine großen Ambitionen, aber nur der Domestike bin ich auch nicht“, sagt Fumic.  Wer weiß was passiert?

 

Das Rennen ist kaum berechenbar ...
Das Rennen ist kaum berechenbar. Die Italiener schicken auch eine schlagkräftige Truppe ins Rennen, zum Beispiel Juri Ragnoli, der am Sonntag den Sella Ronda Hero mit fast sieben Minuten Vorsprung auf den Kolumbianer Hector Paez gewonnen hat.
Dann kommt da mit Mathieu van der Poel (Beobank-Corendon) noch einer hinzu, der aus einer weiteren, anderen Radsport-Disziplin stammt. Van der Poel war vor zwei Jahren der jüngste Cyclo-Cross-Weltmeister aller Zeiten, im Januar wieder Zweiter bei der WM, kommt aber auch mit der Empfehlung dreier Siege auf Straße in den vergangenen Wochen und mit einem zweiten Platz vom Cross-Country-Weltcup in Albstadt. Er lässt für die WM die Straßen-Meisterschaften in den Niederlanden aus. „Ich glaube, dass ich die Weltmeisterschaften gewinnen kann“, sagt van der Poel. Und es zweifelt kaum einer daran, dass das so ist.

Titelverteidiger oder Dreifach-Sieger?

Vom Titelverteidiger Tiago Ferreira aus Portugal hat man die vergangenen Wochen wenig gehört, doch Kontrahent Alban Lakata traut ihm auf dem Hegau-Kurs auch was zu. „Der kann schon große Gänge treten“, sagt der Österreicher, für den das selber auch gilt. Er hat in Singen schon dreimal gewonnen, weiß also auf was es ankommt.

Sein Landsmann Daniel Geismayr (Centurion-Vaude) hat zuletzt bei der Alpentour-Trophy stark aufgetrumpft. „Ich denke, der Kurs könnte was für mich sein – wenn alles passt. Es kommt auf so viele Faktoren an, die es sehr schwer machen, richtig einzuschätzen, wann ein guter Zeitpunkt ist, um aktiv zu werden, damit man am Schluss erfolgreich ist. Ich aber habe alles Mögliche dafür getan, speziell auch für diese Strecke trainiert“, meint der Profi aus Dornbirn.

Die deutschen Karten im Spiel
Bei seinem deutschen Teamkollegen Jochen Käß steigt die Formkurve derzeit deutlich an. Am Sonntag gewann er den Marathon-Klassiker Ultra Bike in Kirchzarten. „Die Form wird von Tag zu Tag besser“, bestätigt Käß, während Markus Kaufmann im Blick auf seine Aussichten eher skeptisch ist. Obschon er in Singen schon mal Deutscher Meister geworden ist. „Eine WM ist halt was anderes“, sagt Kaufmann.

Bleibt man im deutschen Lager, dann darf man auch auf das Abschneiden von Sascha Weber gespannt sein. Der Saarländer wurde in Kirchzarten von Käß nach 117 Kilometern erst im Sprint geschlagen und hat dieses Jahr schon bei etlichen Marathons Podiums-Plätze belegt. „Ich bin in guter Verfassung und ich gehe mit einem guten Gefühl zur Heim-WM“, so Weber, aber er versucht die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben, nachdem er vor zwei Jahren bei der EM in Singen hinter Kulhavy Zweiter geworden ist. „Es kommen so viele für die Medaillenränge in Frage. Ich will einfach ein gutes Rennen fahren. Es kommen ja noch viele wichtige Events dieses Jahr.“

Deutsche Trumpfkarte Stiebjahn
Dann gibt es da auch noch einen Simon Stiebjahn. Dass der 27-Jährige aus Titisee-Neustadt gegen die ganz Großen bestehen kann? Das trauen ihm vielleicht wenige zu, aber Stiebjahn hat schon häufiger überrascht. Der Allrounder kommt mit dem Selbstvertrauen von drei Saisonsiegen, zuletzt am Sonntag bei der Cross-Country-Bundesliga in Wombach, und war im Vorjahr bei der EM schon Vierter. „Die Unübersichtlichkeit ist vielleicht meine Chance und wenn es zum Sprint einer Gruppe kommt, dann muss mich erst mal jemand schlagen“, meint Stiebjahn, der sich aber realistisch ein Top-Ten-Ergebnis erhofft.

Er hat beim Team Bulls einen Teamkollegen an seiner Seite, der auch eine gute Rolle spielen kann: Lokalmatador  Tim Böhme, der in seiner Heimatstadt wohl so motiviert ist, wie noch nie zuvor bei einem Rennen. „Es ist so schwierig, was vorherzusagen. Es kann sein, ich fahre das Rennen meines Lebens und werde 20.“, versucht er diese Unberechenbarkeit zu illustrieren. Wer dann im Team Bulls wen unterstützt, das bleibt offen. Genauso wie die Frage, ob die nationale oder die Team-Karte gespielt wird.

„Das hängt von der Situation ab. Ich verstehe mich gut mit Jaroslav, aber natürlich auch mit meinem Teamkollegen Alban. Doch es ist eine WM und da opfert man sich erst mal nicht für einen anderen Fahrer“, sagt Hynek. Das macht die Angelegenheit noch verworrener. Mountainbiken, das ist eben eine Individualsportart, bei der Team-Taktik nur höchst selten und dann auch nur situativ eine Rolle spielt.
Es ist angerichtet für eine knisternd spannende 15. Marathon-Weltmeisterschaft, 

 

Damen:  Nichts übers Knie brechen

Als Beobachter möchte man fast aufatmen, wenn man sich die Situation bei den Damen anschaut. Dort lässt sich die Gruppe der potenziellen Weltmeisterinnen etwas besser eingrenzen. Was nicht heißt, dass auch da eine Unkalkulierbarkeit drinsteckt.


Titelverteidigerin Jolanda Neff war zuletzt krank, aber sie sendet Anfang der Woche das Signal: „Ja, ich fahre.“ Und wenn die Schweizerin das tut, dann gehört sie zu den Favoritinnen.  Die amtierende Weltranglisten-Erste im Cross-Country wurde ja vor zwei Jahren in Singen bei der EM nur knapp von Sabine Spitz geschlagen, ganz ohne Vorbereitung. Sie ist sicherlich die Explosivste im Starterfeld und könnte mit einer Attacke eine Spitzengruppe sprengen.

 

Dahle-Flesjaa gut eingestimmt

Gunn-Rita Dahle-Flesjaa ist bereits am Montag nach Singen angereist, um sich möglichst perfekt auf die WM einzustimmen. Die Norwegerin hat den Langstrecken-Titel nicht weniger als sechsmal gewonnen, zuletzt 2015 im Val Gardena. „Ich war in dieser Saison aufgrund von Verletzungen und Krankheit noch nicht in der Lage zu zeigen, was ich drauf habe, aber ich glaube nach wie vor an einen guten Tag bei der WM“, sagt die 44-Jährige Dahle-Flesjaa. „Es wird ein spezielles Rennen weil es so viele Flachpassagen gibt und es muss nicht zwingend die stärkste Fahrerin gewinnen. Ich bin gespannt und es wird sich zeigen, ob ich meinen elften Titel gewinnen kann oder ob ich auf die Berge im nächsten Jahr warten muss.“


Deutsche Mitfavoritin Sabine Spitz
Sabine Spitz gehört ohne Frage zu den Mitfavoritinnen. Einmal war sie Weltmeisterin im Marathon (2009) und sieben WM-Medaillen hat sie in dieser Disziplin gewonnen. Doch was sie vor allem mit aufs Favoritenschild hebt, ist einerseits die Fähigkeit sich auf Groß-Ereignisse bestens einzustellen, wie nicht zuletzt ihre drei Olympia-Medaillen beweisen. Und anderseits die Form, die sie im Frühjahr bereits gezeigt hat. Bei ihrem zweiten Weltcup-Platz in Nove Mesto, aber auch zuletzt beim Swiss Bike Cup in Gränichen, wo sie auch Zweite wurde.
„Ich versuche mit Gelassenheit an den Start zu gehen und cool zu bleiben. Auf diesem Kurs darfst du nichts übers Knie brechen“, sagt Spitz zu ihrer Strategie.

Als eine ihrer größten Konkurrentinnen betrachtet sie die Dänin Annika Langvad. Die war schon dreimal Weltmeisterin auf der Langdistanz und ist amtierende Cross-Country-Weltmeisterin. Im Vorjahr verfehlte sie die Titelverteidigung wohl nur weil sie in Führung liegend die falsche Abzweigung nahm. Nachdem sie sich seit einer guten Woche Dr. der Zahnmedizin nennen darf, ist sie befreit von jeglichem Druck auf dieser Seite.

Ex-Weltmeisterin Esther Süss darf auf der Rechnung auch nicht fehlen. Als sie 2010 in St. Wendel den Titel holte, da war das Gelände von ähnlichem Profil wie jetzt in Singen.  Darüber hinaus könnten die Südafrikanische Meisterin Robyn de Groot und die Süss’ Cape-Epic-Partnerin Jennie Stenerhag aus Schweden eine Rolle spielen.
Die Vorjahres-WM-Zweite und Europameisterin Sally Bigham (GBR) wird nicht am Start sein.

Die WM-Rennen werden um 10 Uhr (Damen) und 10:20 Uhr (Herren) gestartet.

Auf der Facebook-Seite des Hegau Bike-Marathon wird man aktuell über Entwicklungen und Zwischenzeiten informiert.