Radprofi Björn Thurau: Die letzte Chance

Björn Thurau © Foto: Sabine Jacob
Björn Thurau © Foto: Sabine Jacob

Der Name Thurau steht für Erfolge und Emotionen. Dietrich „Didi“ Thurau hat bei der Tour de France 1977 mit seinen 15 Tagen im Gelben Trikot für viel Furore gesorgt. Sein Talent war enorm, seine Karriere durchwachsen. Sohn Björn ist dem Beruf des Vaters gefolgt. Mit der ganzen Last der väterlichen Erfolge. Ebensolche blieben aus und die Teamsuche für 2017 gestaltete sich schwierig. Nun hat Björn Thurau doch noch ein Team gefunden und damit seine letzte Chance. Josef Bernhart zeichnet für VeloTOTAL ein aktuelles Portrait der Radsportfamilie Thurau, von 1977 bis heute.

Blonder Engel
Vieles erinnert an den prominenten Vater. Der Fahrstil. Die Athletik. Björn Thurau ist der Sohn von Rennrad-Legende Dietrich „Didi“ Thurau. Jenem Mann, der als „Blonder Engel“ in die Herzen der Deutschen fuhr. Bei der Tour de France 1977. Mit 15 Tagen im Gelben Trikot. Am Ende bester Jungprofi und Rang fünf. Niemand hatte es für möglich gehalten. Deutschland wurde zur Radsportnation. Die Begeisterung war ungebrochen. Im Etappenort Freiburg jubelten Tausende dem neuen Superstar zu. Thurau in Gelb und im Rennradhimmel. Was folgte, waren viele Höhen und Tiefen. Vize-Weltmeister 1977 und 1979, Sieger des Klassikers Lüttich-Bastogne-Lüttich und der Deutschlandtour 1979. Ab 1980 unter Ex-Weltmeister Rudi Altig Kapitän eines neuen Teams. Noch einmal ein Aufblitzen. Dritter beim Klassiker Paris-Roubaix. Beim Tour-Start in Frankfurt, der Heimat von Thurau ganz viel Begeisterung. Aber auch Enttäuschung. Der Blonde Engel konnte seinen Erfolg von 1977 nicht wiederholen.
 
Bergkönig Björn
Björn Thurau wurde das Rennradgen in die Wiege gelegt. Und er sagt: „Ich wurde so erzogen, alles für den Sport zu geben.“ Kein Wunder bei so einem prominenten Vater. Aber auch eine Last. Der Name wiegt schwer. Die Erfolge stellten sich bei Björn nicht so ein wie beim Vater. Kein Etappensieg bei einer großen Rundfahrt, bei allem Kampfesgeist. Dennoch einige Achtungserfolge. Das Jahr 2014 war wohl das beste in der bisherigen Profikarriere von Björn Thurau. Erstmals beim Giro d‘Italia am Start wusste Thurau Junior in den Flachetappen zu überzeugen. Mehrere Ausreißversuche brachten ihm das Image eines Kämpfers ein, einmal fast den Etappensieg. Lange Zeit als bester Deutscher im Feld musste er ausgehungert und kraftlos auf der Königsetappe Richtung Stilfser Joch aufgeben. Was folgte, war eine erfolgreiche Tour de Suisse, die Björn Thurau als Gewinner des Bergpreises beendete. Und es schien der Durchbruch in Reichweite. Björn Thurau unterschreib einen Zweijahresvertrag beim deutschen Bora-Team. Ein Projekt mit Zukunft.
 

Fotos: Didi Thurau © H.A. Roth
Fotos: Didi Thurau © H.A. Roth

 

 

Deutsches Team
Ein deutsches Team hatte auch Vater Thurau gefunden. Damals im Jahre 1981. Didi Thurau war Kapitän von „Kotter’s Racing Team“, einem Rennstall, den Radsportfan Konrad Kotter initiiert und finanziert hatte. Eine eigene Radmarke wurde kreiert, alles auf Thurau ausgelegt. Er war es auch, der für die wenigen Erfolge des Rennstalls sorgte. Top-Platzierungen beim Giro 1981, zwei Etappensiege bei der Deutschlandtour im selben Jahr. Doch anders als bei Bora heute, konnte Kotter keine potenten Geldgeber finden, um das Team zu verstärken. Der Teambetrieb wurde eingestellt und Didi Thurau war arbeitslos.


Björn Thurau hätte sich wohl anders verhalten und die Zusammenarbeit mit Bora nicht schon nach einem Jahr aufgegeben, wäre ihm die aktuelle Stärke des Teams klar gewesen. Nach der Verpflichtung von Doppel-Weltmeister Peter Sagan aus der Slowakei und Co-Sponsor Hansgrohe fährt Bora nun in der ersten Liga des Radsports und als Fixstarter bei der Tour de France 2017. Diese wird bekanntlich am 1. Juli in Düsseldorf beginnen. Genau 40 Jahre nachdem der Stern des Blonden Engels in Deutschland aufging.
 
Italienische Träume
Björn Thurau wäre so gerne dabei gewesen. Doch die Teamsuche gestaltete sich schwierig, nachdem sein Einjahresvertrag beim belgischen Zweitdivisionär Wanty-Group Gobert ausgelaufen war. Thurau Junior drohte das vorzeitige Karriereende. Alle Bemühungen auch des Vaters waren vergebens. Sogar bei Giuseppe Saronni wurde angefragt. Thurau-Fans erinnern sich: Als Didi nach der Kotter-Pleite ein neues Team suchte, fand er es bei Weltmeister Giuseppe Saronni. Der Italiener war Kapitän der Del-Tongo-Mannschaft, auf Rädern von Co-Sponsor Ernesto Colnago. „Letze Chance für Thurau“, titelten die Gazzetten. Didi Thurau wurde eingekauft, um Weltmeister Saronni zum Giro-Sieg 1983 zu verhelfen. Die Mission gelang, und zwar so gut, dass es zwischenzeitlich den Anschein hatte, als könne der Frankfurter seinem Kapitän sogar den Sieg streitig machen. Heute ist Saronni Team-Manager der italienischen Lampre-Mannschaft, immer noch eng mit Ernesto Colnago verbunden. Und Björn ist in seinem besten Jahr schon einmal auf dessen Rädern gefahren.
 

 

Projekt HoffnungDoch alle Vermittlungsversuche scheiterten, die Erfolge des Vaters schienen vergessen. Das Heute läuft anders, und Familiengeschichten zählen nichts im Profigeschäft. So geschehen bei den Thuraus. Keine neue Chance für Björn 2017, bestätigte auch Vater Didi noch vor wenigen Wochen. Zum Jahreswechsel dann die Nachricht: Björn Thurau fährt für Kuwait-Cartucho.es, ein kuwaitisch-spanisches Projekt, das ihm einen Neustart ermöglicht. „Seine letzte Chance“, sagt Vater Didi. Er muss es wissen und lässt hoffen, hat er doch aus so manch letzter Chance noch einiges herausgeholt.
 

 „Vamos“: Vater Didi wünscht Sohn Björn (im Bild neben Miguel Indurain) auf Facebook alles Gute
„Vamos“: Vater Didi wünscht Sohn Björn (im Bild neben Miguel Indurain) auf Facebook alles Gute

Text exklusiv für VeloTOTAL: Dr. Josef Bernhart

Fotos Familie Thurau: Sabine Jacob
Foto Didi Thurau 1977: H.A. Roth

 

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